Antrag "Einstieg in den Nulltarif im Öffentlichen Personennahverkehr"
Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:
- Die Wissenschaftsstadt Darmstadt betrachtet den Nulltarif im Öffentlichen Personennahverkehr als ein geeignetes Instrument, um die Belastung der Darmstädter Innenstadt durch Abgase zu verringern und auf längere Sicht den gesamtgesellschaftlichen Umstieg auf öffentliche Verkehrsmittel voran zu bringen.
- Die Landes- und Bundespolitik wird aufgefordert, die Einführung von Nulltarifen finanziell zu fördern und durch ein Investitionsprogramm zum Ausbau der Infrastruktur zu flankieren. Es sind gesetzliche Grundlagen für die Erhebung von Unternehmens- und Nutzerabgaben durch die Kommunen zu schaffen.
- Der Magistrat wird beauftragt, in Darmstadt ein Pilotprojekt durchzuführen, um die Akzeptanz für den Nulltarif sowie dessen Wirksamkeit zur Verringerung der Schadstoffe zu prüfen. Dazu soll die unentgeltliche Nutzung von Bussen und Bahnen im Darmstädter Stadtgebiet an 10 Samstagen im Jahr 2018 ermöglicht werden. Dieses Angebot wird intensiv beworben. Die Nulltarif-Samstage sind über mehrere Monate außerhalb der Ferien zu verteilen.
- Die Finanzierung erfolgt aus laufenden Haushaltsmitteln bzw. im Rahmen des Verlustausgleichs für die HEAG mobilo. Falls die Bundesregierung 2018 einen Fonds für Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung bereit stellt, bemüht sich die Stadt um die Einwerbung von Mitteln für das Nulltarif-Pilotprojekt.
Begründung
Der Gesundheitsschutz und die Gesetzgebung erfordern die Reduzierung von Stickoxiden und Feinstäuben in stark belasteten Innenstädten. Darmstadt gehört zu den am stärksten belasteten Städten in Deutschland. Fahrverbote sind möglichst zu vermeiden, denn sie entlassen die Verursacher der überhöhten Emissionen aus der Haftung und entwerten das Eigentum derjenigen, die sich im Vertrauen auf die staatliche Abgaskontrolle und bestärkt durch Steuervergünstigungen zum Kauf eines Dieselfahrzeuges entschieden haben.
Um die Klimaschutzziele zu erreichen und um uns auf das absehbare Ende der Verfügbarkeit fossiler Energie vorzubereiten, ist eine Verkehrswende vom motorisierten Individualverkehr hin zu anderen Verkehrsmitteln ohnehin notwendig. Eine wichtige Rolle spielt dabei der öffentliche Personennahverkehr, der durch Ausbau und günstige Preise attraktiver gemacht werden muss. Der Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr ist, kombiniert mit dem Ausbau der Infrastruktur und einer Vernetzung mit anderen privaten, geteilten und öffentlichen Verkehrsmitteln, ein wirksames Instrument, um mittel- oder langfristig den Besitz eines privaten Pkw überflüssig zu machen.
Das beantragte Pilotprojekt soll in der Bevölkerung für die Idee des Nulltarifs werben, die Auswirkung der Verkehrsverlagerung auf die Luftqualität messbar machen und wenigstens an den ausgewählten Tagen den Menschen bessere Luft zum Atmen lassen. Am Samstag erledigen viele Menschen ihre Einkäufe und nutzen andere Angebote in der Innenstadt. An diesem Tag haben die meisten Bevölkerungsgruppen (nicht nur die Arbeitnehmer/innen) Verkehrsbedarf, die Emissionen im Bereich der Innenstadt sind hoch und gleichzeitig halten sich viele Menschen dort auf. Es ist am ehesten die Bereitschaft zum kurzentschlossenen und vorübergehenden Umstieg auf Bus und Bahn zu erwarten.
Über den Finanzierungsmix eines dauerhaften Nulltarifs aus Steuermitteln, Unternehmensabgaben und Nutzerbeiträgen wird die Diskussion noch zu führen sein. Für das beantragte Pilotprojekt erscheint es sinnvoll und machbar, komplett auf Haushaltsmittel zurückzugreifen. Grob geschätzt dürften der HEAG mobilo 5% der normalerweise zu erwartenden Jahreseinnahmen aus Einzel- und Tagesfahrscheinen entgehen (10 Tage sind 2,7% eines Jahres, Samstags wird der ÖPNV jedoch überdurchschnittlich genutzt). Da Zeitkarten, Jobtickets u.ä. den größeren Teil der Fahrgasteinnahmen ausmachen (ca. 75%-80% in den meisten Städten), wäre mit einer Minderung der Erlöse im Stadtgebiet Darmstadt von 1-2% zu rechnen.