Antrag "Aberkennung des städtischen Ehrengrabs für Hans Simon"

Ehrung des Nazi-Profiteurs ist unangemessen

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Der Magistrat wird beauftragt das Grab des Komponisten Hans Simon auf dem Alten Friedhof von der Liste der städtischen Ehrengräber zu streichen.

Begründung

Simon, der seit den frühen 1920er Jahren bei Veranstaltungen des ultrarechten "Bayreuther Bundes" und seit 1930 bei dem genauso reaktionären "Richard-Wagner-Verband deutscher Frauen" als Klavierbegleiter mitgewirkt hatte (DT, 28.10.1921 und 11.01.1930), trat am 1.5.1933 der NSDAP bei und erhielt die Mitglieds-Nr. 2291107. Im Herbst 1932 hatte er bereits die Leitung des hiesigen Kammerorchesters des "Kampfbundes für deutsche Kultur" übernommen. Im April 1933 wurde er zum kommissarischen Leiter der städtischen Akademie für Tonkunst ernannt. In dieser Eigenschaft "säuberte" er bis zu seinem Fortgang im Oktober 1933 das Institut von jüdischen und politisch missliebigen Dozenten, darunter der prominente jüdischen Leiter der Opernschule Paul Ottenheimer. In NS-Diktion las sich das so: "Als kommissarischer Leiter der Städtischen Akademie für Tonkunst hat er aus dem Durcheinander eines liberalistisch gelockerten Instituts ein straff geformtes Ganzes gemacht, das vom Geist des neuen Deutschland durchflutet ist und diesem Geist dient." (Darmstädter Zeitung, 12. 10. 1933).

Die mit öffentlichen Geldern gepflegte Grabstätte des Kapellmeisters und Komponisten Hans Simon auf dem Alten Friedhof dürfte mittlerweile wohl zum berühmt-berüchtigsten Ehrengrab der Stadt Darmstadt geworden sein. Nachdem der Missstand mehrmals in der Presse angeprangert wurde, thematisiert nun auch Hannes Heer Simons unrühmliche braune Vergangenheit ausführlich in seinem Buch Verstummte Stimmen, Bd. 27 der Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen (Berlin, 2011). Dabei erinnert er daran, dass der hier lebende Historiker Fred Kautz bereits vor Jahren "als erster auf Simons Aktivität als Mitglied des Kampfbunds und der NSDAP hingewiesen und die Aufhebung von dessen städtischen Ehrengrab [...] verlangt [hat]."

Da der nun abgewählte OB gleich bei Amtsantritt die Sache auf Eis legte, Urlaub von der Realität nahm und meinte dass sie dort für immer gut aufgehoben wäre, sollte der berechtigten Forderung, der seinerzeit mit über 1000 Unterschriften Nachdruck verliehen wurde, jetzt endlich entsprochen werden. Eine Entscheidung ist überfällig, zumal die Staatsministerin a.D. Ruth Wagner im Vorwort des bereits erwähnten Bd. 27 den hiesigen politischen Gremien ins Gewissen redet und sie auffordert, zu klären, "welche Zeichen der Erinnerung [...] auf Dauer angemessen wären." Die Aberkennung des städtischen Ehrengrabs für Hans Simon wäre ein solches Zeichen. Es würde auf Dauer deutlich machen, dass die Stadt Darmstadt ein klein wenig aus der Geschichte gelernt hat und es nicht mehr für angemessen hält, den Nazi-Profiteur Hans Simon zu ehren. Sie schuldet das schon dem vollmundig erhobenen Anspruch, "Wissenschaftsstadt" zu sein.

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