Antrag "Erweiterung der Kooperationsvereinbarung mit der Bauverein AG"

In der StaVo am 29.8.2019

Die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen:

Die Stadtverordnetenversammlung fordert den Magistrat auf, mit der Bauverein AG eine Erweiterung der bestehenden Kooperationsvereinbarung im Hinblick auf eine zurückhaltendere Mietenpolitik auszuhandeln.

Erreicht werden sollen die folgenden Selbstverpflichtungen des kommunalen Wohnungsunternehmens:

1. Begrenzung der Modernisierungsumlage auf 5% statt der gesetzlichen 8% der Modernisierungskosten sowie auf einen maximalen Anstieg der Kaltmiete von 10%, auch rückwirkend für Erhöhungen im Jahr 2018.

2. Begrenzung aller normalen Mieterhöhungen. auf maximal 1% pro Jahr.

3. Begrenzung der Mieten bei Neu- und Wiedervermietung auf den maximal laut Mietspiegel zulässigen Betrag.

4. Recht auf Umzug in eine kleinere Wohnung vergleichbaren Standards innerhalb des Bestands der Bauverein AG ohne Erhöhung des Quadratmeterpreises der bisherigen Kaltmiete.

5. Verzicht auf Privatisierung von Wohnungen auch an bisherige Mieterinnen oder Mieter.

6. Verzicht auf die Abfrage des Einkommens und des Schufa-Status bei der Bewerbung um eine frei finanzierte Wohnung, um Chancengleichheit aller
Einkommensgruppen herzustellen.

7. Einrichtung einer neutralen Ombudsstelle die beim städtischen Wohnungsamt angesiedelt ist und bei Problemen von Mieterinnen und Mietern mit der Bauverein AG vermittelnd tätig wird.

Um die allmähliche Verringerung der Mieteinnahmen in Folge dieser Selbstverpflichtungen zu kompensieren, wird die Stadt auf Gewinnausschüttungen und auf die Bildung der Sonderrücklage für den sozialen Wohnungsbau verzichten.

Begründung

1. Die Proteste der Mieterinnen und Mieter im Buxbaum-Ensemble haben breiten Widerhall nicht nur bei den knapp 1.000 Betroffenen gefunden. Im Rhön- und Spessartring, aber auch in vielen anderen Wohnanlagen der Bauverein AG müssen die meisten Mieterinnen und Mieter mehr als ein Drittel ihres Einkommens für die Miete aufbringen und können somit als Härtefälle gelten. Es führt zu Wut und Empörung, wenn die städtische Wohnungsgesellschaft diesen Menschen das Leben durch eine happige Umlage der Modernisierungskosten noch schwerer macht. Mit der in einigen Buxbaum-Häusern verlangten Umlage in Höhe von 10% der umlegbaren Kosten wird die Modernisierung (bei einem angenommenen Kreditzins von 4%) innerhalb von 12 Jahren von den Mieterinnen und Mietern finanziert. Der doppelte Zeitraum erscheint eher sachgerecht. So ist die vorgeschlagene Begrenzung bei 5% zu begründen. Bei teuren Modernisierungen in günstigen Wohnungen kann auch die Umlage von 5% der Modernisierungskosten noch Mieterhöhungen von mehr als 10% der Kaltmiete verursachen. Für solche Fällen kommt zur Vermeidung von Härten zusätzlich das zweite, auf die Miete statt der Modernisierungskosten bezogene Kriterium zum Tragen. In Phasen mit stark steigenden Mieten, wie wir sie zur Zeit in Darmstadt erleben, erzielt die Bauverein AG Zusatzeinnahmen über die ursprüngliche Kalkulation hinaus. Daher gibt es ohnehin keinen ökonomischen Zwang, den Mieterinnen und Mietern die kompletten Modernisierungskosten abzuverlangen.

2. In der Kommunikation mit Mieterinnen und Mietern der Bauverein AG zeigt sich, dass in den meisten Fällen die Mieten sehr schnell und präzise dem Mietspiegel angepasst wurden. Dies berichtet auch der Mieterbund, der hierbei einen guten Überblick hat. Erst seit kurzem sei eine Tendenz zu erkennen, Anpassungen etwas langsamer vorzunehmen. Bei einer Mietenexplosion, die wir gerade erleben, hat ein kommunales Wohnungsunternehmen die Aufgabe, ihre Mieterinnen und Mietern vor großen Mietsprüngen zu schützen. Dies wirkt über den Mietspiegel auch auf dem allgemeinen Wohnungsmarkt preisdämpfend. Vor diesem Hintergrund hat z.B. die Stadt Frankfurt mit ihrer ABG vereinbart, dass sämtliche normalen Mieterhöhungen auf 1% pro Jahr begrenzt werden (Presseinfo Stadt Frankfurt, 6.7.2016). Auch die Landesregierung hat sich mit der Nassauischen Heimstätte auf dieses Limit geeinigt (Pressemitteilung der Grünen im Römer, 5.6.2018). Es ist dringend erforderlich, dass auch die Stadt Darmstadt mit der Bauverein AG ein Programm zur Mietendämpfung vereinbart.

3. Zahlreiche Beispiele auf der Website der Bauverein AG zeigen, dass Neu- und Wiedervermietungen offenbar standardmäßig deutlich oberhalb des Mietspiegels angesetzt werden, im Falle von Erstbezug und modernisierten Wohnungen auch mehr als 10% darüber. Wenn dies in gewachsenen Quartieren wie dem Buxbaum-Ensemble so gehandhabt wird, droht schleichende Gentrifizierung. Auch ein Umzug in eine kleinere Wohnung innerhalb des Bauvereins-Bestands wird unattraktiv, wenn die neue Wohnung teurer ist als die alte. Insbesondere bei Wiedervermietungen, die den Großteil der Fluktuation ausmachen, gibt es keinen Grund, den Rahmen des Mietspiegels zu überschreiten. Im Sinne des sozialen Auftrags sowie eines sinnvollen Mietpreisgefüges müssen nicht nur die die Mieterhöhungen beschränkt werden wie in Punkt (2) gefordert. Auch bei Neu- und Wiedervermietungsmieten ist Zurückhaltung zu üben. Die Mietspiegel-Grenzen sind hierfür eine plausible Obergrenze.

4. Nicht wenige Menschen leben z.B. nach familiären Veränderungen in einer eigentlich zu großen Wohnung. Wenn diese in kleinere Einheiten umziehen, dann wird der bestehende Wohnraum besser genutzt. Oft ist dieser Schritt aber nicht attraktiv, da die kleinere Wohnung nicht deutlich billiger, und oft sogar teurer ist als die bisherige. Angesichts des Wachstums unserer Stadt sollten alle Möglichkeiten der Innenentwicklung genutzt werden. Dazu gehört auch die Verringerung der durchschnittlichen Wohnfläche pro Person. Die Bauverein AG sollte solche Umzugsmöglichkeiten systematisch anbieten und durch einen günstigen Preis zum Umzug motivieren. Auch durch ein zusätzliches Unterstützungsangebot für die Durchführung des Umzugs kann z.B. bei älteren Menschen die Hemmschwelle für diese Entscheidung gesenkt werden.

5. Für die meisten Haushalte mit niedrigem Einkommen ist Wohneigentum keine Option. Daher entscheidet das Angebot an Mietwohnungen darüber, ob sich diese Haushalte günstig mit Wohnraum versorgen können. Insbesondere Mietwohnungen in öffentlichem Eigentum sind ein wichtiges Instrument, um die Forderung nach „bezahlbarem Wohnen“ politisch umzusetzen. Eine soziale Wohnungspolitik muss daher darauf verzichten, Mietwohnungen aus der öffentlichen Hand zu geben und sie in Wohneigentum umzuwandeln. Das gilt auch für Mieterprivatisierungen: sie verursachen zwar keine unmittelbare soziale Härte, verringern aber längerfristig den Bestand an Mietwohnungen.

6. Beim Auswahlverfahren für die Vermietung von frei finanzierten Wohnungen erhalten Bewerberinnen und Bewerber einen Fragebogen, bei dem u.a. abgefragt wird, ob das monatliche Einkommen mindestens dreimal so hoch ist wie die Miete. Außerdem wird das Einverständnis zur Schufa-Anfrage eingeholt. Für Menschen mit unterdurchschnittlichem Einkommen, die sich auf dem Darmstädter Wohnungsmarkt versorgen wollen, ist ein Anteil von 33% des Einkommens für die Miete eher die Normalität als die Ausnahme. Diese Einkommensabfrage verdrängt die Haushalte, die es auf dem privaten Wohnungsmarkt besonders schwer haben, auch vom freifinanzierten Angebot der Bauverein AG. Obwohl genau diese Haushalte vom öffentlichen Wohnungsbau vordringlich versorgt werden sollen, wird ihnen bei 60% des Bauverein-Bestands der Zugang erschwert. Die Entscheidung, ob sie sich eine Wohnung leisten können, muss den Mietinteressentinnen und - interessenten selbst überlassen bleiben.

7. Die Bauverein AG steht regelmäßig in der Kritik für seinen Umgang mit Mieterinnen und Mietern, etwa bei Instandshaltungs- und Sanierungsmaßnahmen oder bei der Behebung von Mängeln. Betroffen sind meistens nicht einzelne Mieterinnen und Mieter, sondern ganze Hausgemeinschaften. Diese Fälle werden dann vor Gericht oder in der Öffentlichkeit verhandelt, oder sie erzeugen durch Mundpropaganda eine schlechte Stimmung, über deren Existenz die Verantwortlichen bei Bauverein AG und Politik dann verwundert sind. Abhilfe schaffen könnte eine neutrale Instanz mit Anbindung an die Stadtverwaltung, die bei solchen Problemen vermittelt und Lösungen vorschlägt. Für individuelle Rechtsberatung stehen Anwaltsbüros und der Mieterbund zur Verfügung, diese sollte daher nicht zu den Aufgaben der Stelle gehören. Die Ombudsstelle muss niedrigschwellig ansprechbar sein und guten Zugang zu Entscheidungsträgerinnen und -trägern bei der Bauverein AG haben. Letzteres ist in der Kooperationsvereinbarung festzuhalten.

 


Der Antrag wurde abgelehnt.