Antrag "Menschenwürde erhalten trotz Bezahlkarte"
Eingereicht für die Stavo am 20.02.2025
Am 20.12.2024 wurde auch in Hessen die Bezahlkarte für geflüchtete Menschen eingeführt. Als Linksfraktion verurteilen wir diesen Umgang mit Menschen grundlegend und zielen mit unserem Antrag auf eine Umsetzung in Darmstadt im Sinne der Menschen.
Antrag:
Wir fordern den Magistrat auf, die Leistungsbehörde anzuweisen:
- Die Bezahlkarte nicht auf Bestands-Leistungsempfangende auszuweiten und die vollständige Überweisung der Leistungen auf die bereits eingeführten Giro-Konten fortzusetzen.
- Im Falle von Erwerbstätigkeit und ergänzendem Leistungsbezug (sog. „Aufstocker“) letztere nicht über die Bezahlkarte abzuwickeln.
- Bei sog. „Analogleistungsempfänger*innen“, also denjenigen Leistungsberechtigten, die nach 36 Monaten einen Anspruch auf Leistungen analog SGB II erwerben, keine Bezahlkarte anzuwenden.
- Das Ermessen hinsichtlich der Bargeldbetrages grundsätzlich weit auslegen. Hierbei ist die Bezahlkarte in Darmstadt so auszugestalten, dass die es bzgl. der Bargeldabhebung keine Beschränkungen gibt und das gesamte verfügbare Geld abgehoben werden kann.
Für die Verwendung des Geldes (Erwerb von Dienstleistungen und Waren) werden den Asylsuchenden über die Bezahlkarte keine über die Weisung vom 20.12.2024 hinausgehenden Einschränkungen auferlegt.
- Die Ausgabe der Bezahlkarte ist so lange wie möglich auszusetzen. Insbesondere macht die Stadt von ihrem Recht Gebrauch, die Bezahlkarte nicht einzuführen, falls einer der im Einführungsbescheid aufgeführten Punkte eine Fristverlängerung rechtfertigen (siehe Punkt 4.2 des Erlasses zur Einführung der Bezahlkarte)
Weiterhin möge der Magistrat darauf hinwirken:
- Eine Fristverlängerung für die Einführung der Bezahlkarte zu erwirken bis die folgenden Themen rechtssicher und im Sinne der Asylsuchenden Menschen geklärt wurden (Umsetzung SEPA-Lastschriftverfahren/Überweisungen, Zahlungen von Abonnements)
- Den durch die Einführung und Verwaltung der Bezahlkarte Mehrkosten an die Landesregierung zurückmelden, verbunden mit der Forderung für die so entstandenen Kosten aufzukommen und auf die Einhaltung der Konnexität bestehen
- Sich über den hessischen Städtetag für eine Abschaffung der Bezahlkarte als Instrument für die Leistungsgewährung einzusetzen
Begründung:
In Darmstadt werden gegenwärtig Leistungen an Berechtigte gemäß Asylbewerberleistungsgesetz auf ein Girokonto überwiesen. Dies ermöglicht sowohl den Menschen als auch der Verwaltung einen verhältnismäßig geringen Aufwand und schafft Flexibilität und Selbstbestimmtheit bei der Verwendung des zugewiesenen Geldes.
Die Einführung der Bezahlkarte schränkt die Möglichkeit der Teilhabe von asylsuchenden Menschen erheblich ein. Die Gründe hierfür sind vielfältig.
Die Karte ist in ihrer Ausgestaltung und Nutzbarkeit nicht an ein Girokonto angelegt. So kann nur dort mit der Bezahlkarte bargeldlos bezahlt werden, wo auch eine Zahlung mit einer Visa-Karte möglich wäre. Bereits dies kann zu verhältnismäßig langen Wegen bei den täglichen Besorgungen führen, weil der Laden um die Ecke die Bezahlkarte nicht als Zahlungsmittel annimmt.
Wird zusätzlich dazu eine Bargeldobergrenze eingefügt, wird Menschen mit nur sehr geringen finanziellen Mitteln die Möglichkeit genommen, sich günstig mit dem Lebensnotwendigem zu versorgen. Hierzu gehören regelmäßig Flohmärkte; wie zum Beispiel der bekannte Flohmarkt Am Tiefen See. An diesen Orten können günstig Kleidung und Spielzeug für die Kinder besorgt werden.
Die im Erlass angelegte Möglichkeit zur individuellen Festlegung einer Bargeldobergrenze fordert von neu in Deutschland eingetroffenen Menschen, ohne jede Kenntnis der deutschen Bürokratie und der deutschen Sprache Unmögliches ab. Dies stellt damit keine wirkliche Option für geflüchtete Menschen dar. Es kann als Schikane begriffen werden.
Darmstadt ist seit 05.11.2020 „Sicherer Hafen“. Ein sicherer Hafen für geflüchtete Menschen ist eine Stadt dann, wenn sie diesen ohne Unterstellung Hinterhältigkeit und in Anerkennung ihrer Not offen und wohlwollend entgegentritt. Eine solche Gemeinschaft schränkt nicht ein. Eine solche Gemeinschaft grenzt nicht aus. Eine solche Gemeinschaft ist solidarisch. Für all das steht die Bezahlkarte nicht.
Die Einführung der Bezahlkarte ist in Hessen auf dem Papier erfolgt. Sie wird die Selbstbestimmung geflüchteter Menschen einschränken und ist Sinnbild des gesellschaftlichen Rechtsrucks und der Menschenfeindlichkeit. Als solche kann die Bezahlkarte von einer solidarischen und offenen Gesellschaft nur abgelehnt werden. Um im Rahmen des rechtlich möglichen geflüchtete Menschen nicht mehr als bereits erfolgt einzuschränken und fremd zu bestimmen, soll die Bargeldobergrenze nicht ausgeführt werden und das gesamte Geld zur freien Verfügung stehen. Es sollen Möglichkeiten geschaffen werden, dass SEPA-Verfahren für Überweisungen und Lastschriftverfahren zu verwenden, um unter anderem Mitgliedsbeiträge für Vereine oder auch Abonnements für z.B. Zeitungen und Handyverträge abschließen zu können.
Das Aussetzen der Bargeldobergrenze ist im Rahmen des Erlasses zulässig und wurde auch bereits in Wiesbaden durch den dortigen Sozialausschuss beschlossen.
Karl-Heinz Böck / Maria Stockhaus / Uli Franke
Ann-Christine Sparn / Tamara Hanstein