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Gleichzeitige Ehrung von Opfern und Nutznießern des Naziregimes

Der Fall Ottenheimer im Rückblick auf den Fall Simon

von

Fred Kautz

Im Vorfeld der Recherche zur Ehrengrabsache Paul Ottenheimer möchte ich auf die ethische Dimension der Angelegenheit hinweisen, der man sich stellen muß. Laut Nachricht vom Stadtarchiv(1) wurde Ottenheimer 1933 als Jude von seinem Posten als Leiter der Opernschule der Akademie für Tonkunst entlassen. Das Problem liegt darin, daß Hans Simon, der Mann, seinerzeit in aller Wahrscheinlichkeit für die Entlassung Sorge zu tragen hatte, ebenfalls auf dem Alten Friedhof beigesetzt ist und seine Grabstätte bereits von der Stadt als Ehrengrab gepflegt wird.

Simon trat am 1.5.1933 der NSDAP bei und hatte die Mittglieds Nr. 2291107(2), nach-dem er bereits zuvor die Position des Dirigenten des Kammerorchesters des "Kampfbundes für deutsche Kultur" innehatte.(3) Im April 1933 wurde er zum kommissarischen Leiter der städtischen Akademie für Tonkunst ernannt(4) wobei ihm "vor allem die Aufgabe der Gleichschaltung zufiel.(5) Im gegenwärtigen Kontext heißt das, daß Paul Ottenheimer von Hans Simon aus niederen Beweggründen entlassen worden ist.

Ich würde den Stadtvätern folglich nicht raten, Ottenheimer und Simon gleichzeitig zu ehren. Das käme einer Bankrotterklärung gleich und würde allzu deutlich machen, daß in Wissenschaftsstadt kleiner begriffen hat, warum das "doch so gut gemeinte "Versöhnungszeremoniell’" in Bittburg zu einem Skandal ausartete. Man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen, kann nicht Opfer und Nutznießer des Nationalsozialismus gleichzeitig ehren. Eine Entscheidung ist überfällig. In dem derzeit viel zitierten Machwort von Kanzler Schröder: "Wegschauen ist nicht mehr erlaubt!"

Nun zu Paul Ottenheimer selbst. Aufgrund seiner engen freundschaftlichen Beziehung zum Haus Wagner in Bayreuth hegte ich sogleich die Vermutung, daß er deutsch-national "bis in die Knochen" war. Ludwig Klassert, der ihn noch persönlich kannte, bestätigte mir, daß ich mit dieser Vermutung ins Schwarze getroffen hatte.(6) Auch das wirft politisch-moralische Fragen auf. Ähnlich war der Fall gelagert bei dem renommierten Historiker Hans Rothfels. Als deutsch-nationaler Historiker vertrat er bis z seiner Entlassung als Jude dieselben imperialistischen Ziele, die sich die Nazis zueigen gemacht hatte, weshalb mein Buffalo Lehrer, der jüdische Emigrant Georg Iggers, nicht zu Unrecht behauptete, daß alles was Rothfels davon abhielt Nazi zu werden, war seine Geburt als Jude. Bei Paul Ottenheimer käme man womöglich zum gleichen Ergebnis. Einsichten wie diese konfrontieren die Stadt u.a. mit der Frage nach den Traditionen, an die sie anknüpfen will, wenn sie das Grab von Paul Ottenheimer als Ehrengrab in Pflege nimmt?

Wie dem auch sei, wenn ich den Fall Ottenheimer recherchieren soll, möchte ich vor allem seine enge freundschaftliche Beziehung zu dem Wagner-Klan untersuchen. Hierbei wäre der erste Schritt eine Sichtung der Entnazifizierungsakte von Winifred Wagner, worin sich ein "Persilschein" aus der Feder von Paul Ottenheimer befinden soll.(7) Gottfried Wagner, einer der Großenkel von Richard Wagner, mit dem ich in Verbindung stehe, könnte in dieser Angelegenheit, und überhaupt, was Ottenheimers "enge Freundschaft mit de m Haus Wahnfried in Bayreuth" anlagt, von bedeutender Hilfe sein. Ich möchte ihn folglich in der Angelegenheit anschreiben, zumal ich ohnehin in Zusammenhang mit meinem Buch mit ihm zu korrespondieren habe.

Nach einer pedantischen Auslegung der "Verpflichtung nach dem Verpflichtungsgesetz," die ich am 20.04.2000 unterschrieben habe, dürfte ich das natürlich nicht. Doch wie ich seinerzeit bereits einwendete, steht Geheimniskrämerei wahrer Forschung im Wege.

(1) Brief von Dr. Peter Engels an Joachim Unger vom 7. Januar 2000

(2) NSDAP-Mitgliedskartei ([ehem. BDC], BArch.)

(3) Dr. R.E., "Hans Simon: Zu Seinem Weggang von Darmstadt," Hessische Landeszeitung vom 10.10.1933.

(4) Ulrich Staut, "Hans Simon 1897-1982) - Zu Biographie und Werk eines Darmstädter Komponisten," maschinenschriftliche Diplomarbeit, S. 7.

(5) Friedrich Noack, "Zur Geschichte des Musikunterrichts und der Landesmusikschule in Darmstadt," Programmheft der Hessischen Landesmusikschule zur Feier des100jährigen Bestehens (September 1851-September 1951), S. 4.

(6) Telephonat vom 13.11.2000.

(7) Johanna Kolbe, "Ottenheimer, Paul," Kurzbiographie, Archivunterlagen "Ottenheimer," Stadtarchiv Darmstadt.

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