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Ort der Ruhe und der Kraft

oder

KdF an wahllos selektierten Vorbildern

Rundgang auf den Spuren bedeutender Frauen auf dem Waldfriedhof am Freitag den 28.03.2003, 17:00 Uhr

von

Fred Kautz

"Geschichte" wie man sie in miefigen Darmstädter Amtsstuben gern mag, d. h. Geschichte in Form von Hagiographien in einem geschichtsleeren Raum. Die einzigen Kriterien, welche die beiden Leiterinnen zu kennen scheinen, sind die Begriffe "Frau" und "bedeutend". Frauen sind immer gut und wenn sie dann auch noch "bedeutend" sind, bedarf es keiner weiteren Werturteile.

Frau D. begann den Rundgang mit einer Erläuterung der Eingangsbaulichkeiten und des Friedhofs insgesamt. Er sei 1911 konzipiert, 1914 in Betrieb genommen und 1926 vollendet worden. Planer sei der Architekt August Buxbaum gewesen. Die Bemerkung der Tourleiterin, die Architektur des Tors und der Gebäude sei klassizistisch-nationalistisch, gab einem der beiden Männer, die sich zu dem Happening für das weibliche Geschlecht verirrt hatten, Anlaß zu fragen, bei wem Buxbaum denn studiert habe. Sie wußte es nicht, hatte keine Ahnung davon, daß sein Lehrer Prof. Paul Ludwig Troost, Hitlers erster Hofarchitekt gewesen war, der das Braune Haus in München für die Nazis hergerichtet hatte, geschweige daß sie gewußt hätte, daß Buxbaum Hitlers Ernennung zum Reichskanzler 1933 begrüßt hatte, und daß Albert Speer auch ein Schüler von Troost war. "Mir nicht bekannt," war die knappe Antwort. Wie hätte sie’s auch wissen sollen? Obwohl Darmstadt eine Wissenschaftsstadt ist, haben die Heiner es nicht so gern, wenn man die Nase zu tief in ihre NS-Vergangenheit steckt.

Bei der Erläuterung des Ehrengrabs der Schauspielerin Ellen Daub an der Urnenwand, deren Berufsleben sich durch die Jahre des Dritten Reichs und die frühe Bundesrepublik zog, fragte wiederum der unbotmäßige Mann, ob die Karriere besagter Schauspielerin während des Dritten Reiches einen Knick gemacht habe. Antwort: "Darüber ist uns nichts bekannt." Ob die Daub in der Reichstheaterkammer gewesen sei, fragte der Quälgeist weiter. Wußten beide Leiterinnen auch nicht, wie sie auch nicht wußten, in welchen Archiven man das herausfinden könnte.

Bedeutend im Sinne von lobenswert war auch die steinreiche Industriellenwitwe Margarete Merck. Von der Architektur der Grabanlage und der Symbolik (Findling, Runen usw.) wurden keinerlei Rückschlüsse auf die Persönlichkeit der "bedeutenden" Toten gezogen. Als der Mann, der den Mund nicht halten konnte, auf die Runen in den Säulen der Grabeinfriedung hinwies, reagierte Frau D. ganz sauer. Das Thema der Führung sei berühmte oder bedeutende Frauen und nicht der Nationalsozialismus. Somit beschränkte die Information an dieser Grabstätte sich auf unverbindlichen Tratsch: Margarethe Merck sei eine Mäzenin der Künste gewesen usw. Zu fragen ob sie braune Vorzeigekunst geförderte habe oder "entartete" Kunst, hätte nur gestört.

Vom Grab der High Society-Nationalsozialistin Margarethe Merck ging es weiter zum Grab von Elisabeth Leuschner, der Witwe des in Plötzensee hingerichteten gewerkschaftlichen Widerstandskämpfers Wilhelm Leuschner, so daß man den Eindruck hätte gewinnen können, daß beide Frauen einander in einer feindlichen Männerwelt als Schwestern tief verbunden gewesen wären. Beide Grabstätten waren Orte der Ruhe und der Kraft.

Bei der Erläuterung der Karriere von Therese Kalbfleischs, einer SPD-Frau, die sich im Schulwesen einen Namen gemacht haben soll, erwähnte die Co-Leiterin Frau O. ganz nebenbei, daß die Entnazifizierung der bedeutenden Toten "ganz normal" verlaufen sei. Ganz nebenbei erwähnte sie das! Denn wer von dem zarten Geschlecht, das um das Grab versammelt war, hätte auch schon wissen wollen, daß die unter deutscher Regie geführte "ganz normale Entnazifizierung" einer stillschweigenden Rehabilitierung von Nazis gleichkam? Sinn des andächtigen Spaziergangs war es ja Kraft durch Freude am Vorbild großer Frauen zu vermitteln. Einsichten aus Lutz Niethammers Monographie Die Mitläuferfabrik, dem Standardwerk über die Entnazifizierung, hätten nur die Ruhe gestört und das schwache Geschlecht noch schwacher gemacht

Nur gut, daß keine der großen Damen der Woman’s Lib bei diesem von deutschem Gemüt, also von deutscher Gemütlichkeit geprägten andächtigen Spaziergang zu den Grabstätten "großer" Frauen mit dabei war. Germaine Greer, die Verfasserin von The Female Eunuch, einem Buch, das mächtig unter die Schottenröcke der männlichen Eitelkeit weht, wäre wohl im Hinblick auf diese, nach dem Strickmuster von Brigitte und Bunte zusammengewürfelten Ahnengalerie "großer" Frauen aus dem Staunen nicht mehr herausgekommen und hätte mit ein paar lässig hingeworfenen spitzen Bemerkungen nicht die beiden Male Chauvinist Pigs fertig gemacht, die bußfertig auf dem Rundgang mitlatschten, sondern die gemütlichen German Sisters. Was soll die Verschwisterung der leidgeprüften Elisabeth Leuschner mit der Nazi-Geldaristokratin Margarethe Merck? Der einen hatten die Nazis den Lebenspartner genommen und dann auch noch dessen Erhängung zur Unterhaltung des "Führers" gefilmt. Die andere förderte völkische Künstler, wie Fidus und half dem Reichsführer-SS gern immer mal wieder aus mit stattlichen Beträgen für die Stiftung "Ahnenerbe". Wie ehrlich sind die Frauen mit sich selbst, wenn sie sich Therese Kalbfleich zum Vorbild nehmen, ohne deren "ganz normale" Entnazifizierung näher zu betrachten? Hat die herrschende Männerklasse irgend etwas von Frauenrechtlerinnen zu befürchten, die sich "mit Kerze, Grablicht und Taschenlampe" an derartigen Walfahrten zu den Gräbern "großer" Frauen beteiligen, um sich dort dann den Verstand vernebeln zu lassen? Wohl kaum! Ort der Ruhe und der Kraft: Bedeutende Frauen auf Darmstädter Friedhöfen gibt es laut Frau D. im Buchhandel. Wie zu vermuten ist, wurde die Broschüre vom Magistrat mitfinanziert. Wäre dem so, stellte sie ein Feigenblatt dar für die behäbigen rot-grünen Patriarchen im Rathaus, womit diese Oligarchie sich selber glauben macht, sie sei liberal und dazu fähig, die Macht mit anderen gerecht zu teilen, so daß alle auch wirklich bekommen, was ihnen zusteht. Der "historische" Rundgang hatte somit weder mit Feminismus, noch mit Geschichte etwas zu tun, auch nicht mit Aufklärung.

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