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Pazifismus und Amerikafreundschaft im Schatten des Irak-Kriegs

von

Fred Kautz

"Wir wollen ein Zeichen setzen und den USA zeigen, dass die Deutschen friedliebend sind,"(1) verkündet der SPD-Bundestagsabgeordnete Walter Hoffmann pathetisch auf der Demonstration auf dem Darmstädter Luisenplatz anläßlich des europaweiten Aktionstags gegen einen Krieg im Irak. Auf der gleichen Demonstration pflichtet der Darmstädter Oberbürgermeister Peter Benz (SPD) ihm bei, ""dass die Kritik an den USA nichts mit der Freundschaft zu den Amerikanern zu tun hat". In Darmstadt seien seit Jahrzehnten viele tausend amerikanische Soldaten stationiert und es existiere ein freundschaftliches Verhältnis."(2) Und in seinem Artikel über die 3 000 Zivilbeschäftigten in Grafenwöhr, dem größten Übungsplatz der US Army Europe und der Basis ihrer weltweiten Einsätze, und den benachbarten Standorten Vilseck und Hohenfels, läßt Dietmar Rothwange, der linientreue Journalist der Vereinigten Dienstleistungsgewerkschaft, Zivilangestellte in ihrem Dilemma zu Worte kommen: "Wir wollen diesen Krieg nicht,"(3) sagt Werner Walberger, Vorsitzender der Bezirksbetriebsvertretung (vergleichbar mit einem Betriebsrat). Gleichzeitig haben Rothwange und Walberger sehr großes Verständnis dafür, daß für dieses Zivilpersonal der Job bei der US Army ein Job ist, wie jeder andere, auf den sie für die Sicherung ihrer Existenz angewiesen sind. Gewissensfragen sind hier fehl am Platz. Das Personal rationalisiert: "Was soll denn daran strafbar sein, wenn man täglich pünktlich zur Arbeit kommt, Qualitätsarbeit leistet und darauf stolz ist."(4) Nun bestand aber in letzter Zeit die Qualitätsarbeit gerade darin, die US-Armee in Deutschland bei den Kriegsvorbereitungen zu unterstützen: Aufstellung von Pappkameraden für Schießübungen, die den GIs den letzten Schliff geben sollten für das Niedermetzeln maroder irakischer Wehrpflichtiger, logistische Unterstützung, um die Verpflegung eines Angriffsheers zu gewährleisten, und Wartung von Waffen, die jetzt im Irak im tödlichen Einsatz sind.

Bei all diesen Dissonanzen ist es geboten, die deutsch-amerikanischen Beziehungen, von denen hier die Rede ist, näher anzuschauen. Wie steht es mit dem "freundschaftlichen Verhältnis" zu den vielen tausend amerikanischen Soldaten, dessen sich der Darmstädter Oberbürgermeister rühmt? Wem gilt seine vollmundig proklamierte Freundschaft? Schließt sie neben den Standortkommandanten und wenigen Offizieren auch die vielen einfachen Soldaten mit ein? Weiß er, ob diese Soldaten in der Cambrai-Fritsch Kaserne sich in Darmstadt wohlfühlen oder ob sie frustriert sind? Will er es überhaupt wissen? Als Ex-GI, der in den sechziger Jahren just derselben Division angehörte wie Elvis Presley, und zwar der 3rd Armored Division (Spearhead), und der nachdem Elvis seinen Wehrdienst abgeleistet hatte und längst in die Staaten zurückgekehrt war, u.a. gleich ihm in Ray Barracks in Friedberg stationiert war, kann ich aus eigener Erinnerung nur sagen, was die vielgepriesene Freundschaft zwischen der in der Bundesrepublik stationierten amerikanischen Armee und den Deutschen anbelangt: Je edler die Worte, desto größer die Distanz zum täglichen Leben. Es waren gerade offiziöse Verkünder deutsch-amerikanischer Freundschaft wie Benz, die ihre sittsamen Töchter streng untersagten, mit uns zu verkehren, so daß vielen von uns kaum etwas anderes übrig blieb, als der (Geschlechts)verkehr mit Sexarbeiterinnen in der Rotlichtbranche. Wir waren eben Ausländer und dazu Soldaten, beides nicht dazu geeignet, Interesse und Sympathie zu wecken. Man erkannte uns an unserem kurzen Haarschnitt und ging uns aus dem Wege. So litten wir unter Fremdenhaß, Einsamkeit, Isolation, unter Heimweh und unter den Schikanen unserer Vorgesetzten. Deutsch-amerikanische Freundschaft? Wir verspürten wenig davon.

Was das Dilemma der 3 000 Zivilbeschäftigten in Grafenwöhr, Vilseck und Hohenfels betrifft, für das ver.di so viel Verständnis hat, ist folgendes zu sagen: Angesichts der Kriegs- und Machtpolitik der gegenwärtigen US-Regierung muß ernsthaft darüber nachgedacht werden, ob die Verträge zur Stationierung von US-Streitkräften in Deutschland noch zeitgemäß sind, weil Deutschland über diese amerikanischen Stützpunkte, ob es das will oder nicht, in jedes Kriegsabenteuer der Amerikaner einbezogen wird. Das löst, wie das Beispiel Grafenwöhr zeigt, besonders in den Städten, die US-Garnisonen beherbergen, sofort laute Proteste aus. Es heißt dann: Eine Auflösung bringe noch mehr Arbeitslose. Doch erinnere ich die Deutschen in der alten Bundesrepublik daran: In vielen Städten Ostdeutschlands wurden nach 1990 Einrichtungen der ehemaligen Sowjetarmee geschlossen - ohne Ausgleichszahlungen des Bundes, wie das im Westen oft geschah. Ja, es gab danach mehr Arbeitslose, weniger Kaufkraft und andere Nachwirkungen. Doch wie ein Leser aus Löbau, Sachsen, dem Neuen Deutschland diesbezüglich berichtet: "Wir haben es überstanden."(5) Wer konsequent gegen den Krieg sein will, der darf jetzt nicht die US Army darum anflehen, ihre Truppenübungsplätze in Grafenwöhr, Vilseck und Hohenfels doch bitte nicht nach Polen zu verlegen.

Es fällt mir schwer, das zu sagen, denn verließen die GIs Deutschland wirklich, dann würde ich sie wohl vermissen, wie kaum ein anderer. Ich habe mich an ihr so ausdruckreiches Slang gewöhnt, an das mit einer Singsangintonation gesprochene Englisch der Puertoricaner, an den Southern drawl der Boys aus West Virginia, Tennesee und Georgia und an das gutturale Englisch der cleveren Kerle aus der Bronx. Das waren meine Freunde, als ich ein GI war. Der große Amerika-Freund Peter Benz hingegen, würde es wahrscheinlich gar nicht merken, wenn die amerikanischen Soldaten eines Tages nicht mehr hier wären, zumal es für ihn, wie für viele andere Deutsche wohl normaler und selbstverständlicher ist, GIs zu übersehen, als ihre Bekanntschaft zu suchen.

(1) Zit nach Astrid Ludwig, ""Völkerrecht bedeutet nicht das Recht des Stärkeren" - Mehrere hundert Demonstranten beteiligen sich am europaweiten Aktionstag gegen einen Krieg im Irak," Frankfurter Rundschau, 17. Februar 2003, S. 25.

(2) Ludwig, "Völkerrecht ...," S. 25.

(3) Zit. nach Dietmar Rothwange, "US-Standort Grafenwöhr: Elvis in der Micky-Bar Deutsche Zivilbeschäftigte wollen keinen Krieg und bangen um ihre Arbeitsplätze. Der Abzug der US-Armee wäre für den strukturschwachen Landstrich im Osten Bayerns eine Katastrophe," ver.di Publik, Nr. 4 (2003), S. 11

(4) Zit. nach Rothwange, "US-Standort Grafenwöhr," S. 11.

(5) Kurt Kißig, "Wir brauchen keine US-Basen," Neues Deutschland, 22./23. März 2003, S. 7.

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