So schaffen wir das!

Uli Franke

Zur Aufnahme von Geflüchteten in Darmstadt

Menschen fliehen vor Krieg, Elend, Armut und Verfolgung. Sie suchen verzweifelt nach Schutz und nach einem Ort für ein menschenwürdiges Leben. Die Gründe für ihre Flucht werden oft durch die Politik der westlichen Staaten, also auch der BRD, geschaffen oder verschärft. Deshalb ist es nicht nur ein Gebot der Menschlichkeit, diejenigen aufzunehmen, die in Deutschland Schutz suchen, sondern auch eine Frage der Gerechtigkeit.

Die Spaltung der Gesellschaft

Die Ankunft vieler, oft mittelloser Menschen mit fremdem kulturellem Hintergrund bewegt die Einheimischen und ver unsichert viele von ihnen. Die Geflüchteten müssen untergebracht und versorgt werden, sie brauchen medizinische Versorgung, wollen unsere Sprache lernen und so schnell wie möglich ihren Lebensunterhalt selber verdienen. Diese Herausforderungen sind zu bewältigen, wenn sie als eine große gesellschaftliche Aufgabe aufgefasst werden. Viele Menschen aus allen Teilen der Gesellschaft beteiligen sich mit hohem persönlichem Einsatz daran.

Andererseits wächst auch der Rassismus und nimmt erschreckende Formen an. Rechte Parolen treffen auf eine Gesellschaft, die verunsichert ist durch prekäre Arbeitsverhältnisse, steigende Eigenbeiträge für Gesundheit, abgesenkte Renten und unzureichende Grundsicherung. Wer schon lange erfolglos eine bezahlbare Wohnung sucht, oder wer mit seinem geringen Einkommen kaum über den Monat kommt, fragt sich vielleicht, ob das eigene Leben durch die Neuankömmlinge noch schwieriger und unsicherer wird. Solche Ängste um die eigene Existenz sind nachvollziehbar und müssen von der Politik berücksichtigt werden. Wenn die soziale Sicherheit insgesamt gestärkt wird, bleibt auch die Bereitschaft zur Aufnahme von Geflüchteten mehrheitsfähig.

Nicht die Fluchtbewegung hat die soziale Spaltung der Gesellschaft verursacht. Aber sie macht die Fehlentwicklungen der vergangenen Jahre deutlicher sichtbar. Es waren und sind politische Entscheidungen, die die Lebensbedingungen seit Jahrzehnten verschlechtern – Stichworte Hartz IV, Agenda 2010, Fallpauschalen, Rente erst mit 67 und so weiter. Deshalb wird auch die soziale Spaltung nicht beseitigt, indem man Geflüchtete zurückweist, sondern nur durch gemeinsamen Einsatz für ein besseres Leben. Wir brauchen mehr bezahlbare Wohnungen, Löhne und Renten, von denen man leben kann, gute und sichere Arbeitsplätze, eine menschenwürdige Grundsicherung für Erwerbslose und eine bestmögliche Gesundheitsversorgung für Alle.

Wir schaffen das?!

Nun steht also eine weitere politische Entscheidung an, nämlich wer die Kosten für die Aufnahme der Geflüchteten trägt. Angela Merkel sagt: "Wir schaffen das". Sie sollte hinzufügen: "...entsprechend der Leistungsfähigkeit der Bürgerinnen und Bürger und der Unternehmen". Und sie sollte sich dagegen verwahren, dass der mühsam erreichte Mindestlohn durchlöchert wird, wie es die Arbeitgeber vorschlagen, und dass Geflüchtete so als Lohndrücker missbraucht werden. Es müssen zusätzliche Investitionen in Gang gesetzt werden, vor allem in den Wohnungsbau, aber auch in den Ausbau der Kinderbetreuung, der Schulen, der Krankenhäuser. Das kommt allen zugute, schafft Arbeitsplätze und stärkt die wirtschaftliche Entwicklung.

Manche Politiker folgen dem bösartigen Kalkül, Geflüchtete und Einheimische gegeneinander auszuspielen, damit sich der Zorn nicht gegen die herrschende Politik, sondern gegen die Flüchtlinge wendet. Zwar sind ärmere Menschen eher zum Teilen bereit als Reiche. Doch wenn jene sich nun den ohnehin schon zusammengekürzten Sozialstaat mit den Neuankömmlingen teilen sollen, dann besteht die Gefahr, dass dieses Kalkül aufgeht.

Bezahlbaren Wohnraum schaffen

Die spontan in der Bevölkerung entstandene Willkommenskultur mit der großen Bereitschaft zu ehrenamtlicher Hilfe ist ein überaus wichtiger Anfang. Der muss nun möglichst rasch durch Investitionen und eine an das Bevölkerungswachstum und die Bedürfnisse der Neuankömmlinge angepasste Personalpolitik abgesichert werden.

Unter dem Druck der Situation will die Stadt in den Kelley-Barracks zunächst doch Wohnmöglichkeiten anstatt Gewerbeflächen schaffen. Wir fordern darüber hinaus gehend, dass alle sechs Gebäude nicht nur vorübergehend, sondern dauerhaft zu Wohnzwecken hergerichtet werden, für Geflüchtete, aber auch für andere Menschen, die preiswerten Wohnraum benötigen. Auch die geplante Nutzung der Jefferson-Siedlung am Waldrand vor der Eberstädter Villenkolonie als Flüchtlingsunterkunft bietet die Chance, dass dort längerfristig anstelle der bisher geplanten Neubauten nun doch bezahlbare Wohnungen im Bestand entstehen.

Die Stadt Darmstadt muss ihr Ziel, 100 Sozialwohnungen zu bauen, deutlich nach oben korrigieren. 200 neue geförderte Wohnungen wären nötig, um die Versorgungsquote für die gewachsene Bevölkerung wenigstens zu erhalten.

Neue Stellen nützen allen

Neben dem Investitionsstau rächt sich nun auch der Personalabbau der vergangenen Jahrzehnte. Für die direkte Betreuung der neu Angekommenen muss Personal aus anderen Bereichen abgezogen werden. Das betrifft momentan vor allem die Sozialarbeit und die Verwaltung. Die Beschäftigten sind überlastet, andere Aufgaben bleiben liegen. Auch für Sprachkurse, Schülerbetreuung, berufliche Weiterbildung und Arbeitsvermittlung wird künftig mehr professionelle Arbeitskraft benötigt.

Die Politik in Bund, Land und auch in der Stadt Darmstadt ist gefordert, mit ihren falschen Tabus zu brechen. Es muss dauerhaft mehr Personal eingestellt und ausgebildet werden. Denn erstens ist absehbar, dass auch in den kommenden Jahren viele Menschen fliehen müssen, und zweitens wird die wachsende Bevölkerung dauerhaft mehr öffentliche Dienstleistungen in allen Bereichen abrufen. So entstehen vielfältige Berufschancen, längerfristig auch für die Geflüchteten selbst.

Willkommenskultur nicht zum Nulltarif

Die grün-schwarze Koalition verdient Respekt für ihre klare Haltung zur Aufnahme der Geflüchteten in Darmstadt. Diese Haltung muss in den kommenden Jahren unterlegt werden durch Investitionen und den Aufbau von Personal. In begrenztem Umfang lässt sich das aus dem städtischen Haushalt bestreiten. Es kann aber nicht sein, dass den Kommunen wieder einmal eine Aufgabe übertragen, aber nicht ausreichend finanziert wird.

Unsere Meinung

Eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik, die in der Bevölkerung breite Zustimmung findet, ist zum Nulltarif nicht zu haben. Die Linksfraktion fordert, dass die Aufnahme der Geflüchteten aus Bundesmitteln finanziert wird. Vor Ort setzen wir uns dafür ein, dass die bei uns notwendigen Personal- und Investitionsmittel in den städtischen Haushalt eingestellt werden. Dies nützt langfristig uns allen.