Kleine Anfrage „Einhaltung der Sozialcharta“

Martina Hübscher-Paul

Mir liegt ein Mietvertrag vom Frühjahr 2016 in einer ehemals städtischen Wohnung vor, der sich ausdrücklich auf die der Bauverein AG auferlegten Sozialcharta bezieht. Es handelt sich um eine kleine, nicht geförderte Wohnung mit niedrigem Standard. Aus den Angaben im Vertrag errechnet sich eine Kaltmiete von 9,75 Euro/m² zuzüglich 1,80 Euro/m² Betriebskosten.

Laut Punkt 3 der am 10.4.2014 von der Stadtverordnetenversammlung beschlossenen Sozialcharta darf die Miete nicht den Höchstsatz für die Kosten der Unterkunft (KdU) überschreiten. Dieser beträgt nach meiner Kenntnis aktuell 8,28 Euro/m² für Wohnungen, die kleiner als 45m² sind. Für die Betriebskosten sind außerdem 1,98 Euro/m² vorgesehen.

Der Quadratmeterpreis für die Kaltmiete liegt also um 18% über dem KdU-Höchstsatz.

weiterhin wurde mir versichert, dass der Mietzins für diese Wohnung zuvor deutlich niedriger gewesen sei. Ebenfalls in Punkt der Sozialcharta ist festgehalten, dass die Anpassung der Miete "nur entsprechend des vom Statistischen Bundesamt ermittelten Preisindex für die Lebenshaltung", also im Rahmen der Inflationsausgleichs, verlangt werden darf. Diese Regelung gilt ausdrücklich auch für Neuvermietungen.

Auf Grundlage dieser uns vorliegenden Informationen frage den Magistrat:

1.
Unter der Voraussetzung, dass die oben genannten Angaben zum Quadratmeterpreis der Wohnung aus dem Mietvertrag korrekt sind, teilt der Magistrat dann die Ansicht, dass die von der Bauverein AG festgelegte Miethöhe gegen die Sozialcharta verstößt? Wenn nein, warum nicht?

2.
Teilt der Magistrat die Interpretation von Punkt 3 der Sozialcharta, dass der Mietzins - unabhängig von einem Mieterwechsel - nicht stärker erhöht werden darf als der akkumulierte Anstieg der Lebenshaltungskosten seit dem Zeitpunkt des Eigentumsübergangs der Wohnungen an die Bauverein AG bzw. seit der letzten Mieterhöhung. Wenn nein, warum nicht?

3.
Um wie viel Prozent darf aus Sicht des Magistrats die Miete einer ehemals städtischen Wohnung angehoben werden, wenn sie zum 1.5.2016 (also zwei Jahre nach dem Verkauf) neu vermietet wird?

4.
Teilt der Magistrat meine Auffassung, dass es nicht mit üblichen Vorstellungen von Gerechtigkeit vereinbar wäre und daher nicht dem Sinn der Sozialcharta entspräche, wenn der Mietzins für alle ehemals städtischen Wohnungen ohne Ansehen der Wohnlage und der Wohnqualität bis zur definierten Obergrenze der "KdU-Bedingung" erhöht wird?

5.
Wenn nein, wie würde der Magistrat den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern erklären, dass für Wohnungen ganz unterschiedlicher Lage und Qualität ein einheitlicher Mietzins zu entrichten ist?

6.
Sind Beschwerden von Mieterinnen und Mietern über die Nichteinhaltung der Sozialcharta an den Magistrat herangetragen worden? Wenn ja, welcher Art waren diese Beschwerden?

7.
In welcher Weise sollten Mieterinnen und Mieter aus Sicht des Magistrats gegebenenfalls Beschwerde über die Nichteinhaltung der Sozialcharta führen? Verweist der Magistrat hier ausschließlich auf juristische Durchsetzung etwaiger Ansprüche oder sieht er sich selbst in der Pflicht, die Einhaltung der Vereinbarung sicher zu stellen

8.
Welche Einflussmöglichkeiten sieht der Magistrat, um gegenüber der Bauverein AG auf die Korrektur von Mietverträgen hinzuwirken, die nicht dem Inhalt oder dem Sinn der Sozialcharta entsprechen? Wird er diese nutzen, wenn er auf solche Fälle aufmerksam gemacht wird?