Kleine Anfrage "Erziehungsbeistandschaften"

Martina Hübscher-Paul

In einem Echo-Artikel vom 13.01.2014 sucht die Stadt Darmstadt ehrenamtliche Honorarkräfte, die als Erziehungsbeistände zur Unterstützung von Jugendlichen eingesetzt werden sollen.

Frage 1:
Wie gedenkt der Magistrat den Rechtsanspruch nach SGB VIII, § 1 zu gewährleisten, in dem es in Abs.3, Satz 1 heißt:
"Jugendhilfe soll zur Verwirklichung des Rechtes nach Absatz 1 insbesondere junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung fördern und dazu beitragen, Benachteiligungen zu vermeiden und abzubauen",
wenn diese Unterstützung nicht mehr von qualifizierten Sozialarbeiter_Innen und Sozialpädagog_Innen geleistet wird?
Antwort:
Die Erziehungsbeistandschaft gemäß § 30 SGB VIII ist eine im gesetzlichen Rahmen beschriebene Form der Hilfen zur Erziehung nach §§ 27ff SGB VIII. Kinder, Jugendliche und deren Eltern erhalten mit dieser Form der Unterstützung eine ressourcenorientierte und an ihrem individuellen Bedarf ausgerichtete Hilfe, die im bisherigen Portfolio nicht zur Verfügung gestanden hat.
Durch die Möglichkeit der Unterstützung im niedrigschwelligen Sektor gelingt es, den Rechtsanspruch auf Förderung der Entwicklung differenzierter umzusetzen, als dies bisher möglich war.
Mit den Erziehungsbeiständen werden unter anderem die Ziele der Jugendhilfe aus dem § 1 SGB VIII umgesetzt. Die Schwerpunkte dieser Hilfeform liegen insbesondere im organisatorischen und lebenspraktischen Bereich. Unterstützung bei der Erledigung der Hausaufgaben, Begleitung zu Ämtern, Hinführen zu Angeboten im Sozialraum sind einige konkrete Beispiele möglicher Unterstützungsformen.

Frage 2:
Wie soll der nichtprofessionelle Erziehungsbeistand die Aufgaben nach § 30 SGB VIII erfüllen, wenn er/sie lediglich eine so genannte Einstiegsqualifizierung erhalten soll?
Antwort:
Die Grundlagen für die Unterstützung ehrenamtlicher Personen in der Jugendhilfe finden sich im § 73 SGB VIII. Demnach ist es für uns wichtig, dass diese Personen angeleitet, beraten und unterstützt werden.
Die fachliche Begleitung der Erziehungsbeistände findet an verschiedenen Stellen statt:
Die Teilnahme an der Einstiegsqualifizierung ist eine wesentliche Grundlage für den nachfolgenden Einsatz als Erziehungsbeistand.
Die drei Module der Einstiegsqualifizierung werden mit einem Reflexionsgespräch abgeschlossen.
Zur Qualitätssicherung erhalten die Erziehungsbeistände monatlich eine fallbezogene Supervision, die von unserem Familienzentrum durchgeführt wird.
Die Koordinierungsstelle für Erziehungsbeistände beim Städtischen Sozialdienst im Jugendamt ist eine ständige Ansprechperson zur Beratung, Anleitung und Unterstützung.
Themenbezogene Fortbildungsmodule unterstützen die Tätigkeit als Erziehungsbeistand. Schließlich liegt die Fallverantwortung bei den sozialpädagogischen Fachkräften in der Bezirkssozialarbeit im Städtischen Sozialdienst.

Frage 3:
Wie gestaltet sich das Curriculum der Einstiegsqualifizierung, wer führt diese durch?
Antwort:
Das Curriculum der Einstiegsqualifizierung wurde von den Fachkräften des Städtischen Sozialdienstes und des Familienzentrums im Jugendamt gemeinsam entwickelt. Folgende Inhalte werden für die Qualifizierung bearbeitet:

  • Theoretisches Hintergrundwissen zu den Familien und ihrer Lebenswelt
  • Informationen zu den Themen Bindung und Resilienz und ihre praktische Bedeutung
  • Praxisschwerpunkt Kommunikation
  • Vermitteln und Üben praktischer Kenntnisse
  • Schaffen einer ressourcenorientierten Gesprächsatmosphäre
  • Beziehung, professionelle Nähe und Distanz
  • Rechtliche Regelungen zum Kindesschutz
  • Aufgaben und Grenzen der Erziehungsbeistandschaft

Durchgeführt wird es von drei qualifizierten pädagogischen Fachkräften mit therapeutischen Zusatzqualifikationen.

Frage 4:
Wie will der Magistrat einer Entprofessionalisierung des Berufsbildes der Sozialarbeiter_Innen/Sozialpädagoge_Innen in diesem Zusammenhang entgegenwirken?
Antwort:
Mit dem Einsatz von Erziehungsbeiständen leistet das Jugendamt eine notwendige Hilfe zur Erziehung für Kinder, Jugendliche und deren Familien. Die Jugendhilfe insgesamt lebt von der Vielfalt unterschiedlicher Professionen bis hin zu ehrenamtlich tätigen Bürgerinnen und Bürgern einer Stadt. Dies wird vom Magistrat ausdrücklich unterstützt und gefördert. Soziale Arbeit wird dadurch gestärkt und unterstützt, was zu einer Professionalisierung des Berufsbildes führt statt zu einer Entprofessionalisierung.

Frage 5:
Wer entscheidet darüber, bei welchen Kindern/Jugendlichen ein ehrenamtlicher und wann ein professioneller Beistand die Unterstützung und Betreuung übernimmt?
Antwort:
Der Städtische Sozialdienst im Jugendamt der Wissenschaftsstadt Darmstadt entscheidet über den erzieherischen Bedarf und mit Kindern, Jugendlichen und deren Eltern über die Form und Intensität der jeweiligen Unterstützung. Die Hilfeplanung gemäß § 36 SGB VIII überprüft regelmäßig alle 6 Monate die Notwendigkeit und Form einer Hilfe zur Erziehung mit allen Beteiligten.

Frage 6:
Wie wird in diesem Zusammenhang das Wunsch- und Wahlrecht der Leistungsberechtigten nach § 5 SGB VIII garantiert?
Antwort:
Eine wesentliche Grundlage in der Jugendhilfe ist die Partizipation aller Beteiligten. In dem oben genannten Verfahrensablauf ist die Mitwirkung verbindlich festgeschrieben. Erst wenn ein Konsens über Zielsetzung, Ausgestaltung und Person des Erziehungsbeistandes besteht, wird eine entsprechende Maßnahme eingerichtet.

Frage 7:
Wie positioniert sich der Magistrat zu der Gefahr, dass durch den Einsatz der ehrenamtlichen Honorarkräfte das Subsidiaritätsprinzip ausgehebelt wird und damit auch versicherungspflichtige Arbeitsplätze bei Freien Trägern gefährdet sind.
Antwort:
Die Wissenschaftsstadt Darmstadt sieht durch den Einsatz von ehrenamtlich tätigen Personen das Subsidiaritätsprinzip nicht ausgehebelt, sondern gestärkt. Mit diesem Angebot baut das Jugendamt die Unterstützungsmöglichkeiten für Kinder, Jugendliche und deren Eltern bedarfsorientiert und nach den gesetzlichen Grundlagen aus. Selbstverständlich wurde im Vorfeld über den Bedarf mit den freien Trägern der Jugendhilfe gesprochen.
Eine Gefährdung versicherungspflichtiger Arbeitsplätze bei freien Trägern sehen wir nicht. Die Trägervielfalt, die Zusammenarbeit und die Qualitätsentwicklung mit unseren Kooperationspartnerinnen und Kooperationspartnern bleiben davon unberührt.