Kleine Anfrage "Verwendung von Polystyrol als Dämmstoff"

Martina Hübscher-Paul

In den Medien häufen sich Berichte, denen zufolge die Verwendung des weit verbreiteten Dämmstoffs Polystyrol gravierende negative Folgen haben kann. Demnach kann das Dämmmaterial die Ausbreitung eines Brandes beschleunigen - in der Lokalpresse wurde bereits über ein entsprechendes Ereignis in Eberstadt berichtet. Die notwendige Entsorgung als Sondermüll führt zu erheblichen Folgekosten und Schadstoffbelastungen, und zwar in umso größerem Ausmaß, als die Haltbarkeit polystyrolgedämmter Fassaden sich vielfach als geringer erweist als angenommen. Schließlich wurden, beispielsweise in Berlin, gravierende Gewässerbelastungen durch ausgewaschene Biozide festgestellt.

Frage 1:
Sind solche Berichte dem Magistrat bekannt und werden sie ernst genommen?
Antwort:
Dem Magistrat sind Berichte und kontroverse Diskussionen von Fachleuten zum Brandverhalten von Polystyrol bekannt und werden stadtintern diskutiert.

Frage 2:
In welchem Umfang wurden und werden Gebäude im Eigentum der Stadt Darmstadt unter Verwendung von Polystyrol energetisch ertüchtigt? Überprüft die Stadt als Bauherrin diese Praxis im Hinblick auf eine Neueinschätzung des Brandrisikos und der Folgekosten?
Antwort:
Generell wird der Einsatz von Dämmstoffen bei Gebäudesanierungen und Neubauten entsprechend der individuellen Rahmenbedingungen der Bauaufgabe entschieden. Bei Dachsanierungen kann das geringe Gewicht von Polystyrol ausschlaggebend sein. Mineralwolle wird wegen seiner thermischen Eigenschaften und guten Dämmwerten eingesetzt.

In welchem Umfang die unterschiedlichen Dämmstoffe bisher eingesetzt wurden, ist nicht erfasst worden. Grundsätzlich ist anzumerken, dass Polystyrol als Dämmstoff bauaufsichtlich zugelassen ist. Eine Neueinschätzung des Brandrisikos und der Folgekosten wird auf Grundlage von Erkenntnissen der Fachleute zukünftig angestrebt.

Frage 3:
Ist dem Magistrat bekannt, ob die Bauverein AG bei ihren ambitionierten Programmen zur energetischen Sanierung bzw. zum Neubau energieeffizienter Gebäude weiterhin am Dämmstoff Polystyrol festhalten will oder ob das städtische Unternehmen für künftige Maßnahmen nach Alternativen sucht? Sieht er ggf. die Möglichkeit, in Abstimmung mit der Bauverein AG als größter energetischen Sanierer der Stadt eine Evaluierung von Alternativen zu dem möglicherweise als problematisch erachteten Dämmstoff vorzunehmen?
Antwort:
Da sich Frage 3 auf das operative Geschäft der Bauverein AG bezieht, ist sie gem. §50 Abs.2 HGO unzulässig und nicht zu beantworten.

Frage 4:
Wie schätzt die Darmstädter Berufsfeuerwehr das Brandrisiko bei Gebäuden mit polystyrolgedämmten Fassaden ein? Wurden in den vergangenen Jahren Richtlinien und Ausbildungsinhalte bezüglich des Umgangs mit entsprechenden Bränden sowie der Brandprävention verändert?
Antwort:
Die deutschen Feuerwehren haben in den letzten Jahren immer wieder spektakuläre Brände im Zusammenhang mit polystyrolgedämmten Fassaden erlebt. In der Regel setzt im Anschluss an solche Brände eine Expertendiskussion darüber ein, ob hier eine unfachmännisch angebrachte Dämmung oder eine noch nicht abgeschlossene Baumaßnahme oder ähnliches vorlag, da bei einer korrekt ausgeführten Dämmung ein solcher Brandverlauf nicht auftreten könne. Es liegen ja entsprechende Zertifizierungen vor und diese Form der Fassadendämmung ist bauaufsichtlich zugelassen. Die Feuerwehr Darmstadt kann zum Praxisbezug des Zulassungsverfahrens keine Aussagen machen. Die deutschen Feuerwehren stellen jedoch fest, dass unter bestimmten Bedingungen Brände dieser Fassaden möglich sind, die eine rasante Brandausbreitung über einen kompletten Fassadenbereich und den Einbrand in die anliegenden Zimmer zur Folge haben. Die Geschwindigkeit der Brandausbreitung führt dazu, dass die Feuerwehren kaum zu einem Löscherfolg kommen und der Fassadenbrand erst durch die nahezu vollständige Verbrennung der Dämmung zum erliegen kommt.

Die Brände von polystyrolgedämmten Fassaden führen zu einer hohen Gefährdung der Bewohner, die schnelle Brandausbreitung und die intensive Rauchentwicklung versperren in sehr kurzer Zeit die Rettungswege. Ein solcher Brandverlauf sollte nach den Grundgedanken des Vorbeugenden Brandschutzes durch die Auswahl der verwendeten Baustoffe und die Art des Einbaus ausgeschlossen sein.

Aus Sicht der Feuerwehr muss das Risiko durch polystyrolgedämmte Fassaden daher weiter untersucht werden. Sofern möglich sollten andere, nicht brennbare Dämmstoffe verwendet werden.

Die Problematik durch Brände polystyrolgedämmter Fassaden ist bei der Feuerwehr Darmstadt teil der Fortbildung. Bei ersten Bränden dieser Art stellte sich heraus, dass die Einsatzkräfte das vorgefundene Szenario nicht richtig einordnen konnten, da bisher ein solcher Brandverlauf eines Bauteils nicht denkbar war. Einen solchen Brandverlauf kannte man bisher nur bei brennbaren Flüssigkeiten. Es ist daher für die Einsatzkräfte wichtig, diese Problematik zu kennen, um auch die Gefahren bei einem solchen Brandereignis richtig einordnen zu können.

Um eine Fassadendämmung aus Polystyrol zu entzünden ist ein hoher Energieeintrag über eine längere Zeit notwendig. Dies kann entweder durch einen Brand im Haus über die Fenster nach außen oder durch einen Brand vor der Fassade geschehen. Zur Prävention empfiehlt die Feuerwehr daher, möglichst alle brennbaren Gegenstände (Mülltonnen, Sperrmüll usw.) von der Hausfassade fernzuhalten. Daneben empfiehlt die Feuerwehr zur Brandfrüherkennung grundsätzlich den Einbau von Rauchwarnmeldern.

Frage 5:
Wurde in Darmstadt die Belastung der Gewässer und des Abwassers durch Biozide untersucht? Wenn ja, mit welchem Ergebnis?
Antwort:
Gewässeruntersuchungen nimmt das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie (HLUG) vor. In der Stadt Darmstadt wird laut Herr Seel (HLUG) nur der Auslauf der Kläranlage (am Landgraben) regelmäßig untersucht. Auf Polystyrol wird nicht speziell untersucht.

Untersuchungen im Abwasser auf Biozide, die zum Schutz von Fassaden und Mauerwerken eingesetzt werden, wurden bisher von der Stadt Darmstadt nicht durchgeführt.

In Darmstadt wurden im Jahr 2002 Untersuchungen zur Belastung des Abwassers im Bereich der Zentralkläranlage Darmstadt durch Pflanzenschutzmittel aus der landwirtschaftlichen Anwendung über den Eintragspfad "Städtische Kanalisation" durchgeführt (Magistratsbeschluss 0422 vom 25.06.2003). Vier der dort eingesetzten Wirkstoffe sind in den Positivlisten der Anhänge I und IA der EU-Biozid-Produkte-Richtlinie (98/8/EG) aufgeführt, die für Produkte gilt, die außerhalb der Landwirtschaft schädliche Organismen bekämpfen. Die in den Positivlisten aufgeführten Wirkstoffe dürfen in Biozid-Produkten enthalten sein.

Einer der vier Wirkstoffe, DEET, ein Insekten vertreibendes Mittel, wurde im Ablauf der Kläranlage und im Darmbach zum Teil deutlich detektiert. Über mögliche Eintragspfade, landwirtschaftliche Verwendung oder sonstige Anwendungen, kann keine Aussage getroffen werden, da der Wirkstoff in den Kläranlagenzuläufen nicht untersucht wurde.