Pressemitteilung "Deutlich schlechtere Chancen für Schwerbehinderte auf eine Einstellung bei der Stadt als Menschen ohne Handicap"

Stellenbesetzungsverfahren ermöglicht keine positiven Maßnahmen

Die Reportage "Erfolglos, arbeitslos, chancenlos?" im Darmstädter Echo vom 5.9.2014 hat aufgezeigt, dass die Stadt bei der Einstellung von Schwerbehinderten in Verwaltung und Eigenbetrieben sich nicht an die vereinbarten Regeln für Bewerbungsverfahren hält. Der dort beschriebene Fall, mit dem sich unsere Fraktion schon vor einigen Monaten befasst hatte, ließ uns die Frage nach den Einstellungs-Chancen von Schwerbehinderten bei der Stadt Darmstadt stellen. Aus den vielzitierten Schwerbehindertenquoten lässt sich dies nicht ablesen, da diese sich auf den Personalbestand beziehen und somit auch diejenigen enthalten, deren Behinderung erst im Laufe ihres Berufslebens entstanden ist.

Die Antwort des Oberbürgermeisters auf eine entsprechende Kleine Anfrage hat unsere Vermutung leider bestätigt: 2013 befanden sich unter den 157 Neueinstellungen nur 4 Menschen mit schwerer Behinderung, das sind gerade einmal 2,5%. In 2012 waren es sogar nur 1,3%, während ein Jahr zuvor noch ein Wert von 6% erreicht worden war. Die Zahl von 2010 ist aufgrund des Übergangs des städtischen Hauswirtschaftsbereichs zum EAD nicht aussagekräftig.

Laut dem Bericht Die Arbeitsmarktsituation von schwerbehinderten Menschen der BA von Mai 2014 liegt der Anteil schwerbehinderter Menschen an Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter bei etwa 6%, ebenso deren Anteil an den Arbeitslosen. Da öffentliche Arbeitgeber überdurchschnittlich gefordert sind, die Beschäftigung von Schwerbehinderten zu fördern, müsste die Stadt diesen Anteil bei ihren Einstellungen eigentlich überschreiten und nicht so deutlich verfehlen.

Der Stadtverordnete Karl-Heinz Böck erklärt hierzu: "Die Antwort von Jochen Partsch auf unsere Anfrage zeigt, dass Schwerbehinderte bei der Stadt Darmstadt deutlich schlechtere Chancen auf eine Einstellung haben als Menschen ohne Handicap. Deshalb ist es zu wenig, nur die Ausschreibungstexte in den Stellenanzeigen zu überarbeiten, um Schadensersatzforderungen zu vermeiden. Die Situation sollte für alle Personalverantwortlichen ein Anlass sein, die Auswahlverfahren und vielleicht auch ihre Grundeinstellung zu überdenken."

In der Anfrage hatten wir auch Details des angewendeten Stellenbesetzungsverfahren erfragt, um zu erfahren, ob dieses überhaupt eine bevorzugte Einstellung von Schwerbehinderten ermöglicht, wie es in der Integrationsvereinbarung (§3.3) niedergelegt ist. Die Antwort ergab, dass nach dem 2010 vereinbarten Punktesystem eine Bevorzugung von Schwerbehinderten bei der Einstellung nicht möglich ist, da die Auswahl ausschließlich nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung im "System der Bestenauslese" erfolgt. Die Bevorzugung von Bewerberinnen und Bewerbern aus gesellschaftlich benachteiligten Gruppen ist nur im seltenen Fall von exakt gleicher Eignung vorgesehen. Die betrifft ebenso die Förderung von Frauen oder Migrantinnen und Migranten. Partsch begründet dies mit dem Allgemeinen Gleichstellungsgesetz (AGG), demzufolge eine solche Bevorzugung als Diskriminierung verboten sei. Diese Begründung ist jedoch nicht stichhaltig, da §5 AGG ausdrücklich geeignete positive Maßnahmen zulässt.

Die Linksfraktion schlägt vor, das Stellenbesetzungsverfahren zu modifizieren, so dass in angemessenem Rahmen die Bevorzugung bestimmter benachteiligter Personengruppen möglich wird. Dazu könnte die gleiche Eignung durch eine Punktzahl innerhalb eines bestimmten "Korridors" anstelle der exakten Punktzahl definiert werden, oder es könnten Bonuspunkte für Bewerberinnen und Bewerber vergeben werden, die bei der Einstellung bevorzugt werden sollen.