Befristungen und Tariflosigkeit bei der SSG, PV-Anlagen und Neubau einer Grundschule

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Bericht von der Stadtverordnetenversammlung vom 15.07.2021

Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Freundinnen und Freunde,

in der Juli-Stavo ging es nach all den Formalia zu Beginn der Legislaturperiode endlich wieder mehr um Politik.

Wir brachten die miserable, nicht tarifliche Entlohnung bei der Servicegesellschaft des städtischen Klinikums mit einem Antrag zur Sprache. Draußen flankierten Beschäftigte mit Unterstützung von gewerkschaftlich Aktiven unsere Initiative mit einer Mahnwache. Wir forderten, die Kolleginnen und Kollegen tariflich und auf jeden Fall besser zu bezahlen, und außerdem die exzessive Befristungspraxis für Neueinstellungen endlich zu beenden. Wie das ausging, erfahrt ihr in unserem Bericht.

Außerdem berichtenswert ist die Debatte um die Verbesserung des Sozialtickets, unser Änderungsantrag zum Förderprogramm für Photovoltaikanlagen, unser Einspruch gegen den Bau einer Grundschule in der Albert-Schweitzer-Anlage und schließlich noch die Abwahl von Bürgermeister Rafael Reißer.

Mit solidarischen Grüßen

Karl-Heinz Böck, Martina Hübscher-Paul, Maria Stockhaus,
Uli Franke, Ann-Christine Sparn-Wolf


Bericht von der Sitzung am 15.7.2021

1. Befristungen und Tariflosigkeit bei der SSG beenden

Es ging uns darum, dass nicht nur die meisten, sondern ALLE Beschäftigten bei den städtischen Unternehmen entsprechend der Selbstverpflichtung zur sozialen Verantwortung behandelt werden. Unsere Stadtwirtschaftsstrategie gibt nämlich vor: "Die Unternehmen der Stadtwirtschaft sind verantwortungsvolle Arbeitgeber. Hierzu gehören wettbewerbsfähige Löhne und Gehälter, Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen und die Minimierung von Leiharbeitsverhältnissen. Wettbewerbsfähige Löhne und Gehälter gehen mit tarifvertraglichen Regelungen einher. Tarifflucht ist nicht zulässig. Auf sachgrundlose Befristungen wird nach Möglichkeit verzichtet.“

Das hört sich gut an, gilt aber leider nicht für alle. Denn z.B. die Beschäftigten der Starkenburg Service Gesellschaft, einer 100%igen Tochter des Klinikums, bekommen 11,12 Euro/Stunde, haben keinen Tarifvertrag und werden in den ersten zwei Jahren mit Halbjahresbefristungen in Unsicherheit gehalten. Davon kann man in Darmstadt nicht leben, und Altersarmut ist vorprogrammiert. Deshalb hatten wir unseren Antrag gestellt, und einige der Betroffenen waren zum Beginn der Sitzung zu einer Mahnwache von dem Darmstadtium gekommen, um die Stadtverordneten mit ihrem Ärger zu konfrontieren.

Mehr zu den Hintergründen findet ihr in unserem Antrag, in Ulis Rede in der Stavo und in der Antwort auf die Große Anfrage, mit der wir uns auf die Initiative vorbereitet hatten. Ein Blick in die gute Berichterstattung im Darmstädter Echo und in der Frankfurter Rundschau lohnt ebenfalls. Im „Siehsmaso“ findet sich noch ein ausführlicherer Hintergrundbericht.

Die Grünen, CDU und die neue Partei Volt stimmten gegen unseren Antrag und damit für Niedriglöhne, prekäre Arbeit und Altersarmut. Die Opposition unterstützte ihn komplett oder enthielt sich wenigstens (FDP).

Für die Koalition begründete Stadtkämmerer Schellenberg, warum die Stadtwirtschaftsstrategie für die SSG nicht gelten soll:

  • Bezüglich der Niedriglöhne: Weil die Krankenhäuser unterfinanziert sind (wofür übrigens die gleichen Parteien verantwortlich sind) und eine höhere Bezahlung aus dem städtischen Haushalt ausgeglichen werden müsste. Grün-Schwarz-Lila steht also für soziale Gerechtigkeit nach Kassenlage.
  • Bezüglich der Befristungen: Weil hauptsächlich Menschen eingestellt würden, die kaum arbeitsmarktfähig seien, bräuchte man eine längere Probezeit. Erst nach zwei Jahren sei klar, ob die Mitarbeiter ihrer Aufgabe gewachsen seien. Über diese Aussage haben sich die anwesenden Beschäftigten sehr geärgert, denn sie stimmt einfach nicht und ist beleidigend gegenüber den Neueingestellten.

Die Argumente der Koalition sind eine Zumutung. Wir werden sie noch öffentlich kritisieren.

Wir haben mit dem Antrag und der Debatte eine gute Grundlage geschaffen, um den Kampf fortzuführen. Wir werden weiter Druck auf der politischen Ebene ausüben. Dass das irgendwann Früchte tragen kann, zeigt die Tatsache, dass die Forderung der Erzieherinnen und Erzieher nach Höhergruppierung 6 Jahre nach dem großen, zunächst gescheiterten Streik nun im Koalitionsvertrag von Grünen, CDU und Volt angekommen ist.

2. Sozialticket

Mit einigen Monaten Verzögerung reagierte der Magistrat auf unseren Antrag vom Oktober 2020, das Sozialticket zu verbessern. Leider ist es nur ein Prüfauftrag, der aber durchaus in die richtige Richtung geht. Gleichzeitig hatte UFFBASSE einen Antrag gestellt, der fast das gleiche beinhaltete wie unser oben genannter Antrag. Insbesondere verlangte er die sofortige Umsetzung von Verbesserungen. Diesem Antrag haben wir gerne zugestimmt. Auch der Vorlage des Magistrats haben wir uns nicht verweigert, obwohl wir uns eine schnellere Vorgehensweise gewünscht hätten.

3. Förderprogramm für Photovoltaik-Anlagen

Mit der Magistratsvorlage 2021/0143 wurde ein Förderprogramm für Photovoltaik eingebracht. Dieses sieht Förderung in Höhe von max. 50% für Balkon-Anlagen bei einem Förderhöchstbetrag von 200 EUR oder von 150 EUR je kWp (max. 10 kWp) für Dachanlagen vor.

Dieses Förderprogramm führt jedoch weder zu einer Reduktion des Energieverbrauchs noch zu einem wirklichen Schritt in Richtung Energiewende, da nur wenige Haushalte vom Förderprogramm profitieren.

Besonders kritisiert haben wir das mangelnde Verständnis der Stadt für eine sozial-ökologische Transformation. Hier werden Gelder an Menschen vergeben, die sich die PV-Anlagen sicherlich auch ohne Förderung mehr oder weniger gut leisten können. Das benachteiligt aus unserer Sicht Haushalte mit geringem Einkommen. Für diese forderten wir in einem Änderungsantrag einen höheren Zuschuss bis zu 80% der Anschaffungs- und Installationskosten. Unser Antrag fand Zustimmung von der SPD, UWIGA/WGD, UFFBASSE und Der Partei.

4. Grundschule in der Albert-Schweitzer-Anlage

In der Albert-Schweitzer-Anlage (neben dem Gebäude der Handwerkskammer) soll auf einer heutigen Blühwiese eine Grundschule gebaut werden. Wir bezweifeln nicht den Bedarf an einer Grundschule in diesem Bezirk, dem vielen Menschen neu zugezogen sind. Es wurde jedoch vor einigen Jahren ein anderer Standort mit bereits versiegeltem Boden für den Schulbau reserviert, und wir wollten prüfen lassen , warum dieser nicht in Frage kommt. Leider gaben sie die meisten Fraktionen mit dem vorgeschlagenen Standort zur Verfügung, nur Die Partei und die Stadtverordnete Christina Dietrich von den Freien Wählern konnten unserem Vorschlag folgen.

5. Abwahl von Bürgermeister Rafael Reißer

In der vorausgehenden Sitzung war der Ordnungsdezernent bereits zum ersten Mal abgewählt worden. Wir hatten damals zugestimmt, da Rafael Reißer letztendlich der Verantwortliche ist für die Zustände in der Ausländerbehörde. Die Abwahl wird aber erst gültig, wenn sie in einer zweiten Abstimmung bestätigt wird. Dies soll verhindern, dass durch zufällige Umstände eine Abwahl zustande kommt, die die Mehrheit des Gremiums gar nicht will.

Diesmal konnten wir dem Abwahlantrag der Koalition nicht zustimmen, weil Grün-schwarz-lila noch nicht in der Lage war, einen neuen Kandidat oder Kandidatin vorzuschlagen. Damit gehen wir ohne Schuldezernent in die Sommerpause, während Rafael Reißer seine Bezüge weiter gezahlt werden. Gerade in der Zeit vor eine eventuellen weiteren Corona-Welle muss dieses Dezernat besetzt sein. Einem Antrag, der uns in eine solche Situation führt, konnten wir nicht zustimmen – wenn sie den Wechsel auf diese Weise organisiert, dann muss die Koalition alleine dafür gerade stehen.