Haushaltsrede „Die Kommunen sind dauerhaft strukturell unterfinanziert!"

Uli Franke

in der Darmstädter Stadtverordetenversammlung am 19.12.2017

anlässlich der Debatte über den Haushalt 2018

Sehr geehrte Frau Stadtverordnetenvorsteherin,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

ich beginne mit einer Feststellung, die Sie schon kennen, die ich Ihnen aber hier trotzdem nicht ersparen kann und will – denn Ihre Parteien haben diesen Sachverhalt so eingerichtet:

Die Kommunen sind dauerhaft strukturell unterfinanziert!

Als wir von 2009 bis 2013 die Auswirkungen der Wirtschaftskrise zu spüren bekamen, war das hier mehr oder weniger Konsens. Dieses Gremium hatte damals einer entsprechenden, von uns eingebrachte Resolution zugestimmt.

Aber auch jetzt, in dem seit 2014 prosperierenden wirtschaftlichen Umfeld, hat sich an dieser Tatsache nichts geändert. Das möchte ich am Beispiel unseres Haushalts, den wir heute beschließen wollen, holzschnittartig darlegen.

Die wichtigsten Erträge, die uns aufgrund von übergeordneten Entscheidungen zugewiesen werden, sind der Einkommen- und Umsatzsteueranteil sowie die Zahlungen aus dem Kommunalen Finanzausgleich.

  • Der EkSt-/USt-Anteil ist seit 2014 um 30 Mio gewachsen, das entspricht einem Drittel
  • Die Schlüsselzuweisungen aus dem KFA haben sich durch die Reform im Jahr 2016 kräftig erhöht, sind dann aber wieder deutlich zurückgegangen, mit weiter fallender Tendenz. Heute haben wir 20 Mio und damit ein Viertel mehr als 2014.

Damit haben wir 50 Mio Euro zusätzliche Manövriermasse gewonnen. Damit lässt sich etwas anfangen, möchte man meinen.

Doch auch Aufwendungen auf übergeordnete Anforderung sind massiv angestiegen:

  • Im Bereich von SGB II/XII (also Hartz IV und Grundsicherung) sind die Ausgaben netto um 16 Mio Euro (ein Drittel) gestiegen,
  • in Folge des Rechtsanspruchs auf Kita-Versorgung haben sich die Kosten um 23 Mio Euro (um die Hälfte) erhöht.
  • und die Versorgung von Menschen mit Behinderung verlangt über die LWV-Umlage einen Mehraufwand von 14 Mio Euro (ebenfalls eine Steigerung um 50%)

Damit ist die Manövriermasse vollständig aufgebraucht – um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, möchte ich betonen: für richtige und wichtige Zwecke.

Alle weiteren Kostensteigerungen der fünf Jahre von 2014 bis 2018 müssen kompensiert werden

  • durch zusätzliche Erträge aus den Kommunalsteuern. Das sind einmal 15 Mio Euro aus der unsozialerweise deutlich erhöhten Grundsteuer, sowie 10 Mio Euro aus der anlässlich der konkreten Not endlich auch einmal angehobenen Gewerbesteuer.
  • durch Gewinnausschüttungen der entega (die allerdings größtenteils in den Verlustausgleich der HEAG mobilo gehen) sowie diesmal auch der Sparkasse.
  • sowie durch viele glückliche Einmaleffekte.

Und wie wir heute sehen, reicht das eben gerade so für den Ausgleich des Haushalts.

Es ist strukturelle Unterfinanzierung, wenn sich die Stadt trotz bester Wirtschaftslage gerade so über Wasser halten kann. Nichts ist in Ordnung, wenn die Stadt

  • ihr Personal dauerhaft auf Verschleiß fährt.
  • die bürgerschaftliche Initiative in Kultur und Sport sowie die kommunalen Bildungsangebote allmählich trocken legt.
  • einkommensschwachen Bürgerinnen und Bürgern erschwingliche Mobilität (in Form eines Sozialtickets) verweigert.

In einem vernünftig wirtschaftenden Staat wäre unsere Kommune so ausgestattet, dass sie, wenn die Wirtschaft brummt,

  • den Investitionsstau auflösen könnte, indem sie z.B. die Teilrathäuser und die Schulen saniert.
  • ein Zukunfsinvestitionsprogramm in Gang setzen könnte, z.B. im ÖPNV und für Radwege.
  • Schulden tilgen könnte, um auch in schlechteren Zeiten noch handlungsfähig zu sein.

Um in dieser Lage zu sein, fehlen uns mindestens 40 Mio Euro jährlich.

Im Gegensatz zu anderen Vertretern der Opposition und der Medien mache ich dem Kämmerer und der Koalition nicht den Vorwurf, dass nicht entschlossen an die Ausgaben „herangegangen“ werde. Diejenigen, die das verlangen, waren bisher nicht in der Lage, halbwegs konkrete und substantielle Vorschläge zu unterbreiten.

Stattdessen fordere ich alle Parteienvertreter hier im Raum auf: setzen Sie sich ein für eine bundesweite Steuer- und Verteilungspolitik, die zukunftsorientierte und soziale Kommunalpolitik ermöglicht.


Was würde DIE LINKE – im engen Korsett der soeben beschriebenen Rahmenbedingungen – anders machen?

Wir hätten schon vor fünf Jahren die Gewerbesteuer noch etwas deutlicher erhöht als es die Koalition im Sommer endlich getan hat. Wir hätten umgekehrt die Grundsteuer nur sehr moderat erhöht, und die zusätzlichen Erträge für soziale Zwecke in den Haushalt eingestellt. Das wäre Null auf Null herausgekommen, aber sozial gerechter gewesen.

Im Haushalt 2018 würden wir

  • die Gewinnabführung der Sparkasse um 1 bis 2 Mio Euro erhöhen,
  • fragwürdige Projekte wie die Videoüberwachung oder das Technologie- und Gründer-Zentrum (das sich selbst finanzieren sollte) abplanen,
  • 500.000 Euro (perspektivisch 1 Mio Euro) für ein Sozialticket einsetzen, das den Namen verdient,
  • und vor allem würden wir die „Freiwilligen Leistungen“ in den Bereichen Kultur, Sport und Bildung erhalten, anstatt sie dauerhaft um 10% abzusenken und weitere 10% in Form von Sperren anzudrohen.

Die Erhaltung dieser Zuschüsse wenigstens auf dem Niveau des Magistrats-Entwurfs würde etwa eine Mio Euro kosten (für die freie Kultur gerade einmal 180.000 Euro). Der Schaden durch die jahrelangen Sperren und Kürzungen ist ungleich größer.

Diese mühsam eingesparte Million ist mit einem Wimpernschlag weg, wenn die Wirtschaft oder die Finanzmärkte einmal schwach husten.

Und wenn diese Million am Ende im Defizit stehen bleibt, dann wäre es uns das wert. Wir halten die Schuldenbremse bekanntlich nicht für ein sinnvolles Instrument, und so haben es in Darmstadt auch 40% der Bürgerinnen und Bürger gesehen.

Unsere entsprechenden Vorschläge im Haupt- und Finanzabschluss wurden abgelehnt. Daher werden wir diesem Haushalt nicht zustimmen.