1933 - 80 Jahre später wird Wegbereiter Hitlers immer noch geehrt

Karl-Heinz Böck


Hindenburgstraße die Dritte...

In der Vergangenheit versuchte unsere Fraktion zweimal per Antrag die Hindenburgstraße umzubenennen. Beide Anträge wurden damals mehrheitlich in der Stadtverordnetenversammlung abgelehnt. Zu den ablehnenden Fraktionen gehörte jeweils auch die SPD, seinerzeit in einer Koalition mit den Grünen.

Nun hat die SPD den Antrag zur Umbenennung selbst gestellt. Hätte sie in der Vergangenheit unseren Anträgen zugestimmt, könnte die Hindenburgstraße in Darmstadt schon seit langem Geschichte sein.

Die SPD kommt mal wieder spät ...

Was aber war geschehen, dass es zu einem dritten Versuch kam, die Hindenburgstraße umzubenennen?

Ende des Jahres 2012 machte das Darmstädter "Bündnis gegen Rechts" durch Unterschriftensammlung, Veranstaltungen und eine Demonstration am 30. Januar 2013 abermals auf den Missstand der Namensgebung aufmerksam. Damit war klar, dass diese Initiative nur über einen weiteren Antrag zur Änderung des Straßennamens führen konnte. Wir machten uns innerhalb der Fraktion Gedanken, wie ein solcher Antrag aussehen könnte. Als uns aber die SPD signalisierte, einen solchen Antrag mit zu tragen oder auch selbst zu stellen, warteten wir erst mal ihre Aktivitäten ab.

Im November war es so weit. Ein SPD-Antrag zur Umbenennung wurde in der Stadtverordnetenversammlung eingebracht und diskutiert. Inhaltlich konnten wir dem Antrag folgen, stellten aber einen Zusatzantrag für eine zeitliche Grenze zur Umbenennung. Wir beantragten, dass die Straße bis Mitte 2014 dass die Straße bis Mitte 2014 umbenannt sein müsse. Die SPD akzeptierte einstimmig unseren Zusatzantrag.

... und die GRÜNEN verstolpern es

Es kam aber, wie es kommen musste. Zwar verkündete die Grünen-Fraktionsvorsitzende Förster-Heldmann noch im Februar im "Darmstädter Echo", dass "die Geschichte ... eine Umbenennung der Straße" rechtfertige, aber weder sie noch ihre Fraktion konnte sich in der Abstimmung dazu entschließen, dem Antrag zur Umbenennung der Hindenburgstraße zuzustimmen. Die in der Debatte getätigte Aussage des Stadtverordneten Achenbach (CDU), man würde ja auch nicht verlangen, die Karl-Marx-Straße in Eberstadt umzubenennen, lässt zumindest auf ein abenteuerliches Geschichtsverständnis schließen.

Unsere Meinung

Wieder einmal hat eine Koalition es versäumt, den Namen Hindenburg aus dem Darmstädter Stadtbild zu verbannen. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass dies notwendig ist. Wir werden auch in der Zukunft dafür arbeiten, dass der Militarist und Steigbügelhalter Hitlers nicht durch einen Straßennamen in Darmstadt geehrt wird.

Noch immer geistern die Mythen

Eine Würdigung Hindenburgs darf nicht nur seine letzten Jahre betrachten. Nachdem die Hurra-Patrioten Deutschland 1914 in den 1. Weltkrieg gestürzt hatten, kam die russische Armee schneller in Gang als erwartet.

Da kam dem Chef des Generalstabes ein gewisser Erich Ludendorff in den Sinn. Dieser hatte beim Überfall auf Belgien eines der neun Forts der Festung Lüttich erobert, indem er mit dem Säbel ans Tor klopfte. Wohl weil es ihm an blauem Blute fehlte, wurde Ludendorff der im Ruhestand befindliche General Paul von Beneckendorff und von Hindenburg als Vorgesetzter beigestellt. Bei seiner Berufung zum Oberbefehlshaber erhielt Hindenburg die Weisung, allen Planungen und Kampfanweisungen Ludendorffs keinen Widerstand entgegenzusetzen. Die bessere Aufklärung durch Flugzeuge und einen Zeppelin (eine der Luftschiffhallen aus Allenstein ist in Darmstadt in der Landwehrstraße erhalten), das Entschlüsseln russischer Funksprüche und vor allem die gegenseitige persönliche Feindschaft der russischen Generäle halfen Ludendorff, die überlegenen russischen Armeen nacheinander einzukesseln und zu besiegen. Der Respekt verlangt zu erwähnen, dass bei den Schlachten 100000 russische und deutsche Soldaten verheizt wurden.

Hindenburg aber war fortan der "Held von Tannenberg". In Darmstadt wurde eine vormalige Bahntrasse nach ihm benannt. Ab 1916 übten Hindenburg und Ludendorff eine rücksichtslose Militärdiktatur aus. Beide zusammen erfanden noch in der Stunde des militärischen Scheiterns 1918 die "Dolchstoßlegende", die das Klima in der Republik von Weimar vergiften sollte.

1925 verhalf der mythische Ruhm Hindenburg ins Amt des Reichspräsidenten. Hier fiel er durch den Osthilfe-Skandal auf. Auch heute wäre die Entschuldung seines Gutes Neudeck durch eine Lobby eine Kriminalgeschichte und würde als Vorteilsannahme im Amt bezeichnet. Das beiderseitige Wissen um Details dürfte die Machtübergabe an die Nationalsozialisten enorm befördert haben. Auch der preußische Staatsstreich vom Juli 1932 dürfte dieselbe Wurzel haben, war doch Ministerpräsident Otto Braun Befürworter eines Untersuchungsausschusses.