Darmstadt braucht den Darmstadt-Pass mit Sozialticket

Frank Gerfelder-Jung

Mehr für Viele statt viel für Wenige. In Darmstadt wird es selten langweilig. Zwischen Staatstheater und Mathildenhöhe, mehreren Kinos und Centralstation, Vivarium und Hallenbädern kann die freie Zeit anregend und lustbringend verbracht werden.
Die meisten Leser werden dieser, zugegeben sehr pauschalen Aussage, mehr oder minder zustimmen. Aber halt: Wer genügend Geld zur Verfügung hat, der registriert oft gar nicht die unsichtbare Grenze, die alle oben genannten Einrichtungen umgibt - die der Kasse am Einlass. Wer genügend Geld hat, zahlt den Eintritt und fertig. Wer Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe bezieht, für den wird das Kassenhäuschen zur Grenze. Von 345 Euro im Monat, die ein alleinstehender ALG-II-Empfänger bekommt und von dem noch die Stromrechnung, Telefon, Kleider, Einrichtungsgegenstände und sämtliche Lebensmittel gekauft werden müssen, bleibt für Kultur und Freizeitgestaltung fast nichts übrig. Selbst die Anschaffung eines Nahverkehrtickets wird zum Luxus. Auf den Punkt gebracht: Arme Menschen stehen auch hier vor verschlossenen Türen. Die Stadt wendet zwar Steuergelder in Höhe von Millionen Euro jährlich für den Betrieb und Subventionierung von Institutionen wie beispielsweise dem Staatstheater auf, kümmert sich aber bisher wenig darum, dass auch alle gesellschaftlichen Schichten dieses besuchen können. Wobei an dieser Stelle erwähnt werden muss, dass die Stadt in vielen Teilbereichen deutlich mehr Ermäßigungen gewährt als dies viele andere deutsche Kommunen tun. Wir sind der Ansicht, dass niemand von der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden darf.
Wir halten es daher für sinnvoll, dem Beispiel anderer Städte wie Frankfurt am Main oder Düsseldorf zu folgen und für bedürftige Bürger den Darmstadt-Pass mit einem Sozialticket einzuführen. Dies soll gewährleisten, dass alle Bürger Darmstadts die kulturellen Institutionen und sonstige Freizeitangeboten zu einem fairen Preis nutzen können. Zudem soll so das bestehende Wirrwarr an Ermäßigungen klar strukturiert werden. Viele schon bisherige Ermäßigungen sind kaum bekannt und werden daher auch von den Betroffenen wenig bis gar nicht genutzt. Was heißt das konkret? Das muss drin sein im Darmstadt-Pass: kostenlose Nutzung der städtischen Museen und Sonderausstellungen 50% Ermäßigung für Erwachsene und Kinder in städtischen Betrieben wie Theater, Literaturhaus, Vivarium, Hallen- und Freibädern. Die schon bisher von der Stadt Darmstadt gewährten Ermäßigungen (u.a. für Ferienfreizeitmaßnahmen etc.) Möglichst viele Vereine, Initiativen und Firmen, welche sich der städtischen Initiative anschließen und für Darmstadt-Pass Inhaber freiwillig Vergünstigungen gewähren. Berechtigung für das Darmstädter Sozialticket für den öffentlichen Personen-Nahverkehr (ÖPNV). Das Sozialticket zur Sicherung des Rechts auf Mobilität. Das Darmstädter Sozialticket soll als nicht übertragbare Monatskarte für wahlweise 1, 2 oder 3 Zonen im Stadtgebiet von Darmstadt Gültigkeit besitzen. Für das Sozialticket müssen dieselben Einkommensgrenzen Gültigkeit haben wie für den Darmstadt-Pass, und auch das Verfahren muss angeglichen werden: Wer einen Darmstadt-Pass bekommt, hat auch Anspruch auf das Sozialticket! Der Monatspreis für das Darmstädter Sozialticket darf nicht höher liegen als 50% des Normaltarifs, also 15,80 Euro für eine Zone, 25,00 Euro für zwei Zonen und 32,70 Euro für 3 Zonen. Über 12.000 Menschen in Darmstadt leben von ALG II, einige hundert von Sozialhilfe und Tausende mehr von ähnlich geringen Einkünften unterhalb der Armutsgrenze. Bei einem Preis von 50,00 Euro ist für sie eine 2-Zonen-Karte (z.B. Darmstadt - Eberstadt) unbezahlbarer Luxus. Ein Sozialticket zu 25,00 Euro pro Monat macht den Kauf für viele möglich. Wer ernsthaft über die Kosten eines Sozialtickets diskutieren will, muss davon ausgehen, dass dies kein Zuschussangebot sein wird, sondern zu einer Einnahmensteigerung führen kann. Auch wenn die Tarife vom Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) beschlossen werden, letztendlich entscheiden die politischen Gremien. Das Sozialticket soll auf Vorlage des Darmstadt- Passes bei der ARGE für den ermäßigten Preis erhältlich sein.

Für wen?

Der Darmstadt-Pass muss erhältlich sein für: EmpfängerInnen von ALG I wenn sie ergänzenden Anspruch auf ALG II haben. EmpfängerInnen von ALG II, Sozialgeld und Hilfe zum Lebensunterhalt, EmpfängerInnen von Wohngeld, denn zwei Millionen Menschen bundesweit arbeiten bereits zu Löhnen unterhalb der Armutsgrenze; von deren Einkünften müssen 5 Millionen Menschen leben. Flüchtlinge, denn: den Sonntagsreden für mehr Integration müssen endlich Taten folgen. Gekürzte Leistungen für AsylbewerberInnen und die Illegalisierung von "Menschen ohne Papiere" verfestigen Armut und Ausgrenzung. Wir wollen, dass alle am gemeinsamen Leben teilnehmen können. Und die Kosten...? Wenn durch die Einführung eines Sozialpasses Menschen Angebote wahrnehmen, auf die sie sonst verzichten müssten, entstehen dadurch keine oder nur geringe reale Kosten; wenn preisermäßigte Möglichkeiten wahrgenommen werden, auf die sonst verzichtet werden müsste, ergeben sich eher Einnahmezuwächse als - Verluste. Trotzdem muss im Städtischen Haushalt eine pauschale Summe (von zunächst 80.000 Euro pro Jahr) für den Sozialpass eingestellt werden, um zu vermeiden, dass aufgrund finanzieller Erfordernisse dieses für Viele notwendige Projekt gefährdet werden könnte. Nach einer Anlaufphase von einem Jahr sollte eine detaillierte, für die einzelnen Bereiche differenzierte Auswertung bezüglich erhöhter Nutzungszahlen und tatsächlicher Kosten durchgeführt werden. Unabhängig aber von möglichen finanziellen Argumenten gilt zur Vermeidung der Ausgrenzung Vieler: Wir brauchen den Darmstadt-Pass für alle DarmstädterInnen mit zu geringen Einkünften!