Das bisschen Haushalt...

Dr. Natalie Krieger

Im September hat die Stadtverordnetenversammlung beschlossen, die Obergrenze für Kassenkredite von 300 Millionen Euro auf 450 Millionen Euro zu erhöhen, um die Liquidität der Stadt sicherzustellen. Dies ist Ausdruck der sich verschärfenden Finanzkrise der Stadt. Kassenkredite waren ursprünglich als eine Form von kurzfristigem Überziehungskredit gedacht. Inzwischen werden sie dazu genutzt, einen Großteil der laufenden Ausgaben der Kommunen zu finanzieren. Fast alle Kommunen verzeichnen in den letzten Jahren ein strukturelles Defizit - auch Darmstadt bleibt hiervon nicht verschont. Die Ursachen hierfür mögen auch in verfehlter Stadtpolitik zu finden sein, in erster Linie liegen sie aber in der Steuerpolitik des Bundes und der Zuweisungspolitik des Landes. Ohne die diversen Steuerreformen seit 1998 wären den hessischen Kommunen seither etwa 1,2 Milliarden Euro mehr zugeflossen, Darmstadt hätte heute 200 Millionen Euro mehr in der Kasse. Ohne die rot-grünen, schwarz-roten oder schwarz-gelben Steuerreformen der letzten 20 Jahre könnte Darmstadt mit sanierten Schulen und Schwimmbädern, schlaglochfreien Straße und einem ausreichenden Kinderbetreuungsangebot schuldenfrei sein.

Kommunalpolitiker/innen aller Parteien beklagen sich darüber, dass die "große Politik" die Kommunen finanziell austrocknet. Aber es sind doch eben ihre eigenen Parteien und Abgeordneten, die die Politik in Bundestag und Landtag zu verantworten haben. Hinzu kommt: das Land Hessen hat den Kommunen im Jahr 2011 im Vorgriff auf die Schuldenbremse insgesamt etwa 340 Millionen Euro gestrichen. Für 2012 wird der kommunale Finanzausgleich nochmals um 350 Millionen Euro gekürzt. So werden die ohnehin schon klammen Kommunen in den Ruin getrieben. Kommunale Selbstverwaltung wird systematisch zerstört und das demokratische Gemeinwesen auf kommunaler Ebene in Frage gestellt.

Einnahmen stärken statt Kaputtsparen

Die Kommunen haben kein Ausgabenproblem, sie haben ein Einnahmenproblem - und das können sie nicht aus eigener Kraft lösen. Dazu bedarf es einer vernünftigen Gemeindefinanzreform. Der Anteil der Kommunen am Gesamtsteueraufkommen muss erhöht werden und die Landeszuweisungen müssen bedarfs- und aufgabengerecht ausgestaltet werden. Und nicht zuletzt darf die Regierung den Kommunen nicht immer neue Aufgaben aufbürden, ohne dafür zu zahlen. Das müssen die Kommunen nachdrücklich gegenüber dem Land einfordern und notfalls auch einklagen.
Darüber hinaus muss die Stadt den geringen Spielraum zur Einnahmenverbesserung auch nutzen. Dies darf jedoch nicht auf dem Rücken der Bürgerinnen und Bürger geschehen. Es ist nicht nachvollziehbar, dass Grün-Schwarz sich im mit dem Haushaltsplanentwurf 2012 gegen eine Anhebung der Gewerbesteuer entschieden hat. Befürchtungen, dies bringe eine unzumutbare Belastung der Gewerbetreibenden mit sich, sind unbegründet. Gewerbesteuer zahlen ohnehin nur die Gewerbetreibenden und Unternehmen, deren Gewinn über 24.500 Euro im Jahr liegt. Einzelunternehmen (Händler, Handwerker und Kleinunternehmer) können die Gewerbesteuer zudem weitgehend mit ihrer Einkommensteuer verrechnen. Auch für Kapitalgesellschaften wie GmbHs oder Aktiengesellschaften hätte eine Anhebung der Gewerbesteuer keine unzumutbaren Mehrbelastungen zur Folge. Denn für diese Unternehmen wurde in den letzten Jahren die Körperschaftssteuer schrittweise von 35 Prozent auf 15 Prozent reduziert, um den Kommunen eine Erhöhung der Gewerbesteuer ermöglichen!
Darmstadt hat unter den fünf hessischen Großstädten den niedrigsten Gewerbesteuer-Hebesatz. Die Mehreinnahmen durch die Erhöhung kämen vollständig der Stadt zugute. DIE LINKE ist dafür, den Haushalt durch die Anhebung der Gewerbesteuer zu konsolidieren, anstatt ausgerechnet die Grundsteuer zu erhöhen, was aufgrund der Umlagefähigkeit auf die Mietnebenkosten vor allem Menschen mit geringem Einkommen trifft.

Ein sozialerer Haushalt ist möglich!

Auch unter schmerzhaftesten Anstrengungen - die vor allem die Bürgerinnen und Bürger und die Beschäftigten zu tragen hätten - wird es nicht gelingen, die aufgehäuften Schulden abzutragen. Inzwischen sind die Schulden der Stadt so hoch wie zwei Jahreshaushalte. Ein Abbau aus eigener Kraft ist unrealistisch. Und: kleine Kürzungen können großen Schaden anrichten. Deshalb lässt sich unter den gegebenen Bedingungen ein Fehlbetrag im Haushalt nicht vermeiden.
Auf dieser Grundlage haben wir unser Vorschläge zum städtischen Haushalt erarbeitet. Die Arbeit wurde durch die unübersichtlichen und unvollständigen Haushaltsunterlagen erschwert. Eine Verzahnung von Teilplänen und Produktbuch würde die Lesbarkeit für Bürger/innen und Stadtverordnete verbessern. Notwendige Erläuterungen zu Aufwendungen und Erträgen unmittelbar bei den "Produkten" sowie Angaben zur Besetzung der Stellen im Stellenplan fehlen. Auch ist es grotesk, dass der doppische Haushalt in Darmstadt seinen fünften Geburtstag ohne Eröffnungsbilanz muss.

Unsere Meinung

Im Mittelpunkt unserer Initiativen zum vorgelegten Haushaltsentwurf stand die soziale Frage. Zentrale Forderungen waren die Finanzierung eines Sozialtickets (Kosten 2,2 Mio €),die Verstärkung des sozialen Wohnungsbaus (1,4 Mio €) und die Ausweitung der Stadtteilsozialarbeit (0,25 Mio €) Die Stellenbesetzungssperren und -streichungen sollen aufgehoben werden (2 Mio €) und zusätzliche Investitionen in den Radverkehr (0,5 Mio €) fließen. Zur Gegenfinanzierung dienen Mehreinnahmen bei Einkommens- und Gewerbesteuer (7 Mio €), die nach der neuen aufwärts korrigierten Steuerschätzung zu erwarten sind. Durch die moderate Anhebung des Gewerbesteuer-Hebesatzes um 6% auf 450 Punkte können weitere 7 Mio € eingenommen werden.