Ein obdachloser Oberbürgermeister?

Martina Hübscher-Paul

Ein obdachloser Oberbürgermeister?

Gedanken um das Darmstädter Rathaus

Der gegenwärtige Hype um den Neubau eines Rathauses hat einen ernsten Hintergrund: die ab übernächstem Jahr enorm steigende Miete für das "Neue Rathaus" am Luisenplatz. Einst war der frühere HEAG-Block städtisch. Nun gehört er wie auch das Carree und das Luisencenter längst Immobilien-Fonds, die nicht in Darmstadt zu Hause sind. Deren Vertrag mit der Stadt Darmstadt läuft aus und so soll die Miete beträchtlich steigen.

Aber ist das ein Grund, ein einziges völlig neues Rathaus zu bauen? Die Bürgerinnen und Bürger sehen dies anders, wie eine Umfrage ergab. Das Alte Rathaus ist Standesamt, das Stadthaus in der Grafenstraße aus den 50er Jahren liegt zentral für alltägliche Angelegenheiten. Beide sind städtisch. Auch das Technische Rathaus in Bessungen in einer Artilleriekaserne aus Großherzogs Zeiten ist städtisch. Für deren Folgenutzung ergäben sich große Probleme, denn alle diese Gebäude sind denkmalgeschützt. Der Glaspalast des Stadthauses III in der Frankfurter Straße am früheren Schlachthof ist dagegen jüngeren Datums und von der Bauverein AG angemietet.

Im Neuen Rathaus residieren Oberbürgermeister und Dezernenten, diese mit eher mäßigem Publikumsverkehr. Eigentlich geht es nur um deren Unterkunft.

Daher fragt unsere Fraktion: Ist ein kompletter Neubau eines Rathauses für Bürger Darmstadts tatsächlich billiger als die Weiternutzung der bestehenden Teilrathäuser und der Neubau einer "kleinen Lösung" für die zur Zeit im Luisencenter und im Carree untergebrachten Büros? Können die bei einer Zusammenführung der Ämter in ein einziges Rathaus frei werdenden Gebäude im Eigentum der Stadt und des Bauvereins im Anschluss wirtschaftlich vermietet werden? Wir befürchten, dass knappes Bauland zum Neubau von Büros verwendet wird, obwohl in der Stadt insgesamt größerer Bedarf an Wohnungen als an Büroflächen besteht. Unsere Fragen lassen sich aus den Unterlagen, die der Magistrat den Stadtverordneten und der Öffentlichkeit bisher vorgelegt hat, nicht beantworten. Es ist inakzeptabel, dass das Gutachten als Ganzes wieder einmal den Stadtverordneten und der Öffentlichkeit vorenthalten wird. Bevor wir als Stadtverordnete und letztendlich auch die Darmstädter Öffentlichkeit über den Neubau eines zentralen Rathauses mit enormen öffentlichen Kosten entscheiden können, müssen alle Informationen auf dem Tisch liegen und die offenen Fragen geklärt sein.

Bisher hat die Stadt nur eine Präsentation von 53 Seiten veröffentlicht, das nicht ergebnisoffen ist und keine Alternativen prüft (http://kurzlink.de/rathausda). Es wird hier nur ein zentrales Rathaus angepriesen.

Dabei sind Alternativen denkbar: etwa die von der WELLA verlassene Verwaltung und die ehemalige EAD-Verwaltung neben dem Technischen Stadthaus. Auch der Neubau eines Teilrathauses kommt in Frage. Das Luisencenter war so etwas. Dessen Verkaufserlös ist aber nun im "Darmstadtium" einbetoniert.

Unsere Meinung

Bevor über den Neubau eines zentralen Rathauses mit enormen Kosten entschieden wird, sind alle Fragen, auch Teillösungen und Alternativen und deren personelle Folgen zu prüfen. Das kostet keine riesigen Summen, sondern nur den entsprechenden Willen.