Geschichtsklitterung durch den Oberbürgermeister

Rainer Keil

Unsere Stadtverordnetenfraktion hat sich mit einer kleinen Anfrage nach dem aktuellen Bearbeitungs- stand einiger von uns eingebrachter Anträge erkundigt.
Wir nehmen erfreut zur Kenntnis, das eine Reihe von Anträgen mittlerweile von der Verwaltung umgesetzt und auf den Weg gebracht worden sind.

  1. Wanderausstellung "Lebensunwert - zerstörte Leben"
    Wir hatten im Mai 2004 beantragt, diese Ausstellung, die sich mit der Geschichte zwangsterilisierter und "euthanasie"-geschädigter Menschen im Faschismus befasst, auch nach Darmstadt zu holen.
    Die Stadt will mit der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschisten" sowie der Geschichtswerkstatt Kontakt aufnehmen und zusammen die Betreuung und Durchführung der Ausstellung betreiben. Als Termin wurde November 2006 genannt, Ort wird das Vestibül des Hauses in der Geschichte sein.


  2. Info-Blatt zur städtischen Haushaltslage
    Schon im Mai 2002 beantragte unsere Fraktion eine Bürgerinformation über die aktuelle Finanzlage der Stadt.
    Die Kämmerei will jetzt eine Internetpräsentation der wichtigsten Haushaltsdaten vornehmen. Die technischen Vorbereitungen sind abgeschlossen, die Umsetzung soll in Kürze erfolgen.
    Die Intention unseres Antrages war ursprünglich ein Info-Blatt für alle Haushalte. Daran sollte unserer Meinung auch weiter gearbeitet werden, da nicht alle Haushalte in Darmstadt Zugang zum Medium Internet haben. Ob das von der Kämmerei geplante Vorhaben dem von uns gewollten Schritt eines bürgerlesbaren Haushaltes nahe kommt, wird zu beurteilen sein. Immerhin ist die jetzt beabsichtigte Umsetzung unseres Antrages ein Schritt in die richtige Richtung.


  3. Stadtteilplan für Kranichstein
    Die Verwaltung teilt mit, dass die Bemühungen der Deutschen Städte Medien GmbH eines werbefinanzierten Schaukastens mit Stadtteilplan zu keinem Ergebnis geführt haben. Es soll jetzt geprüft werden, ob aus Mitteln der "Sozialen Stadt" ein solcher Schaukasten mit Stadtteilplan ermöglicht werden kann.
    Wir hoffen diese Prüfung dauert nicht noch mal vier Jahre. Unser Ursprungsantrag wurde im Juni 2001 eingebracht.


  4. Situation illegalisierter und von Illegalisierung bedrohter Menschen in Darmstadt
    Die Verwaltung hat mit Magistratsvorlage 0608 vom 28.09.05 unseren im Dezember 2004 angenommenen und leicht veränderten Antrag umgesetzt. Leider war unsere ursprüngliche Forderung nach einer eigenen Studie zu diesem Thema aus Kostengründen nicht durchsetzbar.
    Wichtige Ergebnisse sind:
    Bei wichtigen Änderungen bezüglich der Situation von nicht registrierten Zugewanderten soll der Magistrat durch das Interkulturelle Büro informiert werden.
    Von Seiten des Interkulturelle Büros soll in Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsamt und der Sozialverwaltung sowie in Abstimmung mit anderen Fachämtern die Einrichtung eines Spendenfonds für Nicht-Versicherte sowie eines entsprechenden Beirates unter Hinzuziehung der Kirchen und der Mitwirkung von Krankenkassen geprüft werden
    . Im Einvernehmen mit dem Staatlichen Schulamt sollen die Schulleitungen von Seiten des Schuldezernats bezüglich der Situation von Eltern und Kindern ohne rechtmäßigen Aufenthalt informiert werden.
    Der Magistrat soll das Thema des kommunalen Umgangs mit zugewanderten Personen ohne Aufenthaltsstatus in den entsprechenden Gremien des Hessischen und Deutschen Städtetags einbringen und die Darmstädter Beschlusslage erläutern. Die Stadtverordnetenversammlung soll nach 6 Monaten durch den Magistrat über die vorliegenden Ergebnisse informiert werden.


  5. Ruhebänke und Km-30-Ausschilderung in der BorsdorffstraßeAuf unseren Antrag hin wurden auf der Fahrbahn auf der Höhe Wohnpark Kranichstein und der neuen Kindertagesstätte Km-30-Markierungen auf der Fahrbahn angebracht. Ruhebänke sollen der Hammesltrift und an der ehemaligen Bushaltestelle "An der Schleifmühle" angebracht werden. Wir hoffen, dass die praktische Umsetzung zügig in Angriff genommen wird.


  6. Sozialpass in Darmstadt
    Mit Antrag vom 09.05.2005 wurde der Magistrat beauftragt, eine Konzeption für einen "Darmstadt-Pass" zu prüfen. Sinn des Passes sollte es sein, Menschen mit geringem Einkommen (Bezieher von ALG II und Sozialgeld) und erstem Wohnsitz in Darmstadt die Möglichkeit zu geben, verbilligt kulturelle Veranstaltungen und andere städtische Angebote zu nutzen.
    Dazu gehören die städtischen Museen, das Staatstheater, Vivarium, Hallen- und Freibäder, Eissporthalle, die Stadtbibliothek, Ausstellungen auf der Mathildenhöhe und weitere noch zu definierende Angebote.
    Die Stadt sieht aufgrund der angespannten Haushaltslage keine Möglichkeit einen solchen "Darmstadt-Pass" einzuführen und verweist auf andere freiwillige Leistungen.
    Es ist bezeichnend für die Politik der rot-grünen Stadtregierung, dass sie in diesen Bereichen keinen finanziellen Handlungsspielraum sieht, auf der anderen Seite aber weiter an Prestigeobjekten festhält.


  7. Ehrung für Konrad Weigel
    Zur Behandlung unseres Antrages bezüglich der Ehrung für den Darmstädter Antifaschisten Konrad Weigel haben wir von Oberbürgermeister Walter Hoffmann einen Zwischenbericht erhalten.
    Dieser Zwischenbericht ist historisch fragwürdig und in einzelnen Passagen mehr als skandalös.
    Ein Mensch, der 1933 wegen seiner Tätigkeit als Funktionär des "Kampfbundes gegen den Faschismus" in Schutzhaft genommen wurde, der deswegen zu drei Jahren und drei Monaten Zuchthaus verurteilt wurde, der dadurch seine Arbeitsstelle, sein Umfeld, seine Familie verlor und der später erneut wegen Hochverrats an der Nazidiktatur zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt wurde ist laut Oberbürgermeister kein "richtiger" Widerstandskämpfer. Die derzeitige Quellenlage lasse keine fundierten Rückschlüssen auf einen "Widerstandskämpfer Konrad Weigel" zu. Aus den Unterlagen des Volksgerichtshofes lasse sich "ein aktiver Widerstand gegen das NS-Regime kaum schlussfolgern", eher die Tatsache, dass Weigel nach wie vor für die Ziele seiner Partei arbeitete. Konrad Weigel wurde wie Heß, Weis, Fröba und Fillsack vom Volksgerichtshof "wegen Vorbereitung zum Hochverrat und Feindbegünstigung" angeklagt. Worin bestanden diese nach der Meinung des Gerichtes? Es sei von Fröba versucht worden "im Jahre 1942 bis zu seiner Festnahme Anfang 1943 in Darmstadt eine kommunistische Organisation aufzuziehen ... und [er habe] dadurch den Hochverrat vorbereitet und Feindbegünstigung begangen". Weigel habe "an der Vorbereitung des Hochverrates durch Fröba mitgearbeitet". Es war also gerade die Bildung der kommunistischen Organisation, die von dem Nazigericht als Widerstand gegen das Regime gewertet wurde, und gerade hier versucht Walter Hoffmann die Widerstandstätigkeit Weigels in Frage zu stellen.
    Wir werden diesen Zwischenbericht zum Anlass nehmen, mit eigenen Dokumenten und Beiträgen der vom Oberbürgermeister Hoffmann unterzeichneten Geschichtsverkürzung entgegenzutreten.