Grün-Schwarz: Konzeptlos gegen die Wohnungsnot

Uli Franke


Antrag der Linksfraktion mit ideologischen Scheuklappen abgelehnt

In Darmstadt herrscht großer Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Der Bestand an Sozialwohnungen ist in den vergangenen Jahren auf ein Drittel des Höchststandes in den 80er Jahren zurückgegangen. Im Februar dieses Jahres wurde per Kooperationsvereinbarung zwischen Stadt und Bauverein AG der Bau von jährlich 100 geförderten Wohnungen vereinbart. Dies ist jedoch bei weitem nicht ausreichend: Das Darmstädter Institut für Wohnen und Umwelt (IWU) berechnet in einer Studie einen jährlichen Neubau-Bedarf von 120 Sozialwohnungen, um wenigstens die Anzahl zu erhalten. Jährlich 160 neue geförderte Wohnungen wären nötig, damit der Sozialwohnungsanteil am wachsenden Wohnungsbestand nicht unter den ohnehin traurigen Wert von 7% absinkt.

Der Bestand muss aber quantitativ und qualitativ an den wachsenden Bedarf angepasst und weiter ausgebaut werden. Deshalb fordern wir, dass von den durchschnittlich 600 Neubauwohnungen pro Jahr in Darmstadt 30% als Sozialwohnungen erstellt werden. Außerdem ist anzustreben, dass im frei finanzierten Wohnungsbau ein Anteil von 20% preisgünstiger Wohnungen entsteht, deren Mietzins die angemessenen Wohnkosten nach SGB II (Kosten der Unterkunft) nicht wesentlich überschreitet. Hierzu müssen die öffentlichen Unternehmen ihre Anstrengungen verstärken und auch private Investoren zum Bau von Sozialwohnungen herangezogen werden.

Doch statt dessen werden momentan viele Baulücken mit luxuriösen Eigentumswohnungen gefüllt. Der umstrittene Neubau in der Robert-Schneider-Straße und die "Bessunger Logen" an der Radrennbahn sind zwei prominente Beispiele für diese Fehlentwicklung. Das sind die Ergebnisse des freien Wohnungsmarkts und des mangelnden Willens, ihn zu steuern und zu regulieren. Darmstadt braucht ein wohnungspolitisches Konzept!

Deshalb haben wir beantragt, dass der Magistrat die kommunalpolitischen Instrumente zur "sozialen Bodennutzung" überprüft, mit denen andere Städten wie Hamburg, München oder Berlin bereits Erfahrungen gemacht haben. Die von uns vorgeschlagenen Instrumente sind:

  1. Abschluss von städtebaulichen Verträgen bei der Aufstellung oder Veränderung von Bebauungsplänen, um Investoren auch bei der Füllung von Baulücken einen Mindestanteil an gefördertem Wohnraum zwingend vorzuschreiben.
  2. Erlass von sozialen Erhaltungssatzungen für bestimmte Wohngebiete. Dadurch hat die Stadt beim Verkauf bestehender Wohnungen Vorkaufsrecht oder kann Vereinbarungen mit Investoren bezüglich Miethöhe, Umwandlung in Eigentumswohnungen und maßvoller Sanierung treffen. So können die etwa im Martinsviertel oder Bessungen einsetzenden Verdrängungsprozesse der alteingesessenen Mieter durch Anstieg der Mieten, durch Umwandlung in Eigentumswohnungen und durch Aufwertung von Wohnungen begrenzt werden.
  3. Einrichtung einer genossenschaftlichen Immobilienagentur, etwa nach dem Vorbild der GIMA in München, um das Vorkaufsrecht auch wahrnehmen zu können. Diese könnte auch bei der Erschließung der Konversionsflächen als Käuferin auftreten, um die Grundstücke nach und nach an kleinere Interessenten weiter zu verkaufen.
  4. Vergabe städtischer Flächen nach der inhaltlichen Ausrichtung des Bauvorhabens und nicht nach dem finanziellen Höchstgebot. Dadurch können Grundstücke bevorzugt an sozial- und wohnungspolitisch verantwortungsvoll handelnde Wohnungsunternehmen und Wohnprojekte vergeben werden.
  5. Erhaltung der langfristigen politischen Steuerungsfähigkeit der Stadt, indem städtische Flächen grundsätzlich in Erbpacht an die Bauherren vergeben werden.
  6. Wir wissen, dass diese Instrumente verschiedene Risiken und Nebenwirkungen bergen. Wohnungspolitik in der Kommune ist ein kompliziertes Feld. Deshalb wollten wir mit unserem Antrag keine Lösung präsentieren, sondern eine Diskussion in der Darmstädter Politik und Öffentlichkeit anstoßen.

Bei der Stadtverordnetenversammlung am 28.05. zeigte sich, dass die Koalition es vorzieht, weiterhin auf die Erarbeitung eines Konzepts gegen die Wohnungsnot in Darmstadt zu verzichten. Anstelle von sachlichen Argumenten kam unter anderem der Verweis auf "sozialistische Methoden". Mit solch überdimensionalen ideologischen Scheuklappen wird in Darmstadt die Wohnungspolitik an die Wand gefahren. Gegen die Stimmen der Opposition bei Enthaltung der UWIGA und eines Piraten wurde der Antrag abgelehnt.

Frau Lindscheid, Herr Partsch, unseren Antrag können Sie ablehnen, aber die Frage steht weiter im Raum: Was will Darmstadt dafür tun, dass bezahlbarer Wohnraum erhalten bleibt und neu entsteht? Wie soll die zu erwartende Mietenexplosion beim Inkrafttreten des nächsten Mietspiegels 2014 eingedämmt werden?