Grüner Wählerbetrug: "Nur drei Stationen"?

Uli Franke

Der Magistrat plant, die Bibliotheks-Zweigstellen in Bessungen und Arheilgen zu schließen und durch einen Bücherbus zu ersetzen. Dabei geht es um Betriebskosten in niedriger fünfstelliger Höhe pro Jahr für beide Einrichtungen. Außerdem will die Stadt die Räumlichkeiten verkaufen, um von einem Teil des Erlöses einen neuen Bücherbus anzuschaffen, und das Personal in die Hauptstelle verschieben. Wir sprechen also von etwa 100.000 Euro pro Jahr Kürzungspotential.

Im Mai 2010 hatten die Grünen zur damals noch von der SPD vorangetriebenen Schließung der Stadtteilbibliotheken erklärt: "Einsparungen an dieser Stelle würden zweifelsohne einen sehr großen Schaden hervorrufen, der durch nichts zu rechtfertigen ist." Die Zweigstellen seien einer der einfachsten Wege zu mehr Bildung und Weiterbildung, weshalb man einer Schließung der Angebote in den Stadtteilen und der Stilllegung des Bücherbusses nicht zustimmen werde, so damals die Grünen. Heute hingegen ist es laut OB Jochen Partsch kein Problem mehr, drei Stationen von Bessungen mit der Straßenbahn zu fahren, um zur Zentralstelle zu gelangen.

Dazu muss man wissen, dass die Bessunger Bibliothek regelmäßig von Schülerinnen und Schülern der Mornewegschule im Rahmen des Unterrichts genutzt wird. Kinder, die zu Hause wenig Anregung zum Lesen von Büchern bekommen, werden so für Literatur begeistert und kommen dann auch nachmittags auf eigene Faust in "ihre" Bücherei. Der Bücherbus ist keine Alternative, denn er ist kein Ort zum Schmökern, sondern dient in erster Linie der Auswahl, Bestellung und Abholung von Medien.

Die Folgen einer Verlagerung in die Hauptstelle illustrierte die Initiative "Büchereien bleiben" (www.buechereien-bleiben.de) zusammen mit Lehrerinnen und Lehrern der Mornewegschule im September mit einer Testfahrt unter dem Motto "Drei Haltestellen weiter". Sieben Schulklassen fuhren mit der Straßenbahn ins Justus-Liebig-Haus. Das Ergebnis: die Fahrt kostete 384 Euro, jede Klasse musste von einer zusätzlichen Person begleitet werden, und statt der üblichen 50 Minuten dauerte der Bibliotheksbesuch anderthalb Stunden. Der Aufwand für die Beantragung von Zuschüssen für Fahrtkosten bedürftiger Kinder war dabei gar nicht einberechnet.

Auch für ältere Menschen ist die Fahrt ins Liebighaus anstrengend und bei knapper Rente auch recht teuer (3,40 €). Jedenfalls fiele mit den Stadtteilbibliotheken ein generationenübergreifender Treffpunkt weg. Im Wahlprogramm der Grünen kommt das Wort "Sozialraum" - vor allem im Zusammenhang mit jungen und alten Menschen - exakt 19 mal vor. Beispielsweise umwarb man die Wählerinnen und Wähler mit der Erkenntnis, "je kleinteiliger der Ansatz, umso passgenauer [ist] die Angebotsstruktur. Konkrete Projekte und Konzepte gegen Armut und soziale Ausgrenzung wirken besonders im Sozialraum." Klarer Fall: die Schließung der Stadtteilbibliotheken wäre Wählerbetrug.

Unsere Meinung

Auch wenn Grün-Schwarz das behauptet, haben die geplanten "Umstrukturierungen" der Darmstädter Bibliothekslandschaft nichts mit Optimierung zu tun. Es handelt sich um eine reine Kürzungsmaßnahme auf Kosten vor allem von Kindern und Senioren.

Die Stadtteilbibliotheken müssen erhalten bleiben und mit ausreichender Personalausstattung wieder sachgerechte Öffnungszeiten anbieten!