Hartz IV in rosa-grün

Verena Hoppe und Frank Gerfelder-Jung

Seit Mai 2005 gibt es in Darmstadt die ARGE, eine von der Agentur für Arbeit und der Stadt Darmstadt ins Leben gerufene Arbeitsgemeinschaft. Sie trägt für die organisatorische Umsetzung der unsozialen Hartz-IV-Gesetze vor Ort die Verantwortung.
In den Sozialausschusssitzungen des Stadtparlaments, denen in der Regel eine Bürgerfragestunde vorangeht, nimmt der Geschäftsführer der ARGE, Günter Eidmann, Stellung zu den Schwierigkeiten bei der Umsetzung von Hartz IV. In diesen Sitzungen werden nicht die wirklichen Probleme der Erwerbslosen erörtert: Weder werden die fehlenden Arbeitsplätze, noch wird die Höhe des Arbeitslosengeld-II-Regelsatzes von 345 Euro, der ein Leben an der Armutsgrenze bedeutet, thematisiert. Vielmehr bewerten der Sozialausschussvorsitzende Jochen Partsch (Grüne) und Bürgermeister Wolfgang Glenz (SPD) die Selbstverständlichkeit der mehr oder minder funktionierenden ALG-II-Auszahlung an die Erwerbslosen, bereits als Erfolg.
Aber die ARGE Darmstadt kommt jetzt erst "richtig in Schwung" (Südhessen-Woche, 22.12.2005): Bis November letzten Jahres wurden sage und schreibe "330 Menschen in Arbeit vermittelt" (Darmstädter Echo, 10.01.2006) und das bei einer Arbeitslosenquote von 11,6% - so hoch wie noch nie. Das sind 8.573 erwerbslose Menschen in Darmstadt (2.722 erhalten ALG I und 5.851 ALG II). Von den 6.041 Bedarfsgemeinschaften (11.428 "Leistungsempfänger") beziehen 7.981 ALG II und 3.447 Sozialgeld. Im Januar 2006 kamen für den Bezirk der Agentur für Arbeit die ehemaligen "Opelaner" dazu, allein in Darmstadt 1.000 Arbeitslose (Pressemitteilung der Agentur für Arbeit Darmstadt, Stand 31.01.06). Demnächst kommen dann wohl 1.500 Telekom-Mitarbeiter hinzu.
Doch die Rekordarbeitslosigkeit in Südhessen und Region Starkenburg ist nichts Neues. Sie entwickelte sich stetig von 2001 mit 29.001 Erwerbslosen bis 2005 auf 46.966 Menschen. Auch bei den Jugendlichen ist die Arbeitslosigkeit gravierend: 5.769 Jugendliche, davon 1.320 unter 20 Jahren, waren Ende Dezember 2005 im Agenturbezirk erwerbslos. Herr Eidmann erläuterte in der Sozialausschusssitzung am 07.02.2006, dass die ARGE permanent mit internen Problemen zu kämpfen hat. Sei es eine stattliche Anzahl von neuen Mitarbeitern, die erst "geschult" werden müssen, sei es das plötzliche und unerwartete Ausscheiden der stellvertretenden Geschäftsführerin der ARGE, Frau Kraus-Weber, oder die in der Presse sattsam dargestellten Schwierigkeiten mit alten und neuen Softwareprogrammen.
Eidmann führte weiterhin aus, dass der Verwaltungshaushalt der ARGE in Höhe von sechs Millionen Euro für 2005 zu 100 Prozent verausgabt wurde. Der Etat für Eingliederungsmaßnahmen wie Zuschüsse, Einstiegsgeld oder berufliche Weiterbildung aber nur zu 40 Prozent.
"Die Wirklichkeit am hart umkämpften Arbeitsmarkt hat uns eingeholt." So äußerte sich der neue von Verena Hoppe und der Bundesagentur für Arbeit abgestellte stellvertretende Geschäftsführer der ARGE Darmstadt, Stefan Reß (Darmstädter Echo, 10.01.2006). Diese Wirklichkeit spüren die Erwerbslosen schon seit Jahren am eigenen Leib.
Und so zeigt die Aufforderung des Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Jochen Partsch, die Erwerbslosen sollten jetzt endlich auch gefordert und nicht immer nur gefördert werden, wessen Geistes Kind die rosa-grünliche Sozialpolitik in Darmstadt ist. Sie ist Ausdruck der von allen bürgerlichen Parteien mitgetragenen und zu verantwortenden Politik des massivsten Sozialabbaus seit Bestehen der BRD.
Die Stadtverordnetenfraktion PDS DKP/Offene Liste und jetzt DIE LINKE hat durch zahlreiche Anfragen und Anträge permanent den Finger in die Wunde gelegt. Seien es Fragen und Anträge zu Ein-Euro-Jobs, zu Unterkunfts- und Heizkosten, oder zur möglichen Einrichtung eines "Ermittlungsdienstes gegen Leistungsmissbrauch": Wir wollen und werden auch weiterhin für Öffentlichkeit sorgen.
Aber es bedarf der Initiative der Erwerbslosen, um die unsozialen Hartz-IV-Gesetze und ihre Rechtfertiger und Verteidiger ins Wanken zu bringen.