Hartz IV in Stadt und Bund

Frank Gerfelder-Jung

Durch die Neuregelungen bei Hartz IV im Herbst des vergangenen Jahres (Optimierungsgesetz zum SGB II), wurden laut Schätzungen von Erwerbsloseninitiativen bundesweit circa 1,8 Millionen betroffene Menschen aus dem "Leistungsbezug" und mit hin aus der Arbeitslosenstatistik gekippt.
Die geänderten Richtlinien bei der Anrechnung von Vermögenswerten und Partnereinkünften, die Änderungen bei unter-25-Jährigen: All dies ist mitverantwortlich für den vielbeschworenen Rückgang der offiziellen Arbeitslosenzahlen.
Diese Tatsache veranlasste unsere Fraktion Anfang Dezember letzten Jahres eine Kleine Anfrage an den Magistrat zu richten. Der zuständige Sozialdezernent Jochen Partsch (Grüne) bat in seiner Antwort, Ende Januar diesen Jahres, "um Verständnis, dass eine qualifizierte Schätzung ohne jegliches Zahlenmaterial nicht vorgenommen werden kann." Man wisse zwar, "dass betroffene einzelne Langzeitarbeitslose in keiner Statistik erscheinen" und "gleiches gilt für... unter 25-Jährige", aber man wolle sich zukünftig um statistische Grundlagen "bemühen".
Dies ist also ein Teil der offiziellen Hartz-IV-Gerechtigkeit: Erst die Menschen aus dem Leistungsbezug drängen, dann die Statistik "bereinigen" und sie damit in den Niedriglohnsektor zu treiben.
Da lassen sich, wie geschehen, leicht Krokodilstränen über die Sittenwidrigkeit von Hungerlöhnen vergießen. Aber nur ein gesetzlicher Mindestlohn, der diesen Namen verdiente, würde prekäre Beschäftigungsverhältnisse zwar nicht abschaffen aber wenigstens minimieren. Aber das bleibt Zukunftsmusik, solange wir den Herrschenden nicht ordentlich Zunder geben.
Ähnlich skrupellos wie die herrschenden Sozialpolitiker geht auch die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) mit Langzeitarbeitslosen um. Die GEZ kassiert die Rundfunk- und Fernsehgebühren im Auftrag der öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehanstalten. Seit April 2005 müssen Bezieher von Hartz IV die Befreiung von der Gebührenzahlung bei der GEZ beantragen. Zuvor erhielten die Empfänger von Sozialhilfe automatisch den Gebührenbefreiungsantrag von ihrer zuständigen Sozialbehörde.
Den Hartz-IV-Bescheid erhalten Arbeitslose in der Regel erst in dem Monat, in dem die Zahlung beginnt. Von den Rundfunkgebühren können sie sich erst zum Folgemonat befreien lassen. Da Hartz IV meistens nur für sechs Monate bewilligt wird, müssen sich Hartz-IV-Empfänger also mehrfach im Jahr um eine Befreiung bemühen. Für die Befreiung ist nämlich der Zeitpunkt maßgebend, an dem der Antrag bei der GEZ eintrifft. Das hat zur Folge, dass die Betroffenen erst so spät ihren Antrag stellen können, dass sie praktisch für einen Monat gebührenpflichtig sind. Dank dieser Regelung kassiert die GEZ laut Bundesagentur für Arbeit circa 700 Millionen Euro bei Menschen ab, die sich dies eigentlich nicht leisten können und dies gesetzlich auch nicht leisten müssten. Momentan streiten sich die Bundesagentur und die GEZ über die Möglichkeit einer vereinfachten Gebührenbefreiung. Ein absehbares Ende dieser Auseinandersetzung ist zur Zeit nicht in Sicht. Aber wo die Quelle fröhlich sprudelt, da lassen die Gebühreneinzugsspezialisten der GEZ nicht locker (denn der teure Kauf der Übertragungsrechte für die nächste Fußball-WM muss ja gegenfinanziert werden).