Hartz IV und die Schulkosten

Frank Gerfelder-Jung

Im August 2007 erreichte die Zahl der Kinder bis 15 Jahre, die von staatlicher Unterstützung leben, nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit mit 2,6 Millionen einen traurigen Höchststand. Der Kinderschutzbund geht von etwa 2,8 bis 3 Millionen "armen" Kindern aus - das entspricht rund 25% der in Deutschland lebenden Menschen unter 16 Jahren.
Auf eine Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE teilte der zuständige Sozialdezernent Jochen Partsch (Grüne) mit, dass derzeit in Darmstadt 1.996 Kinder im Alter von 6 bis 14 Jahren von SGB II - und 83 von SGB-XII-Leistungen - also von Hartz IV - leben. In diesen Angaben nicht enthalten sind Aussagen zu Kindern die in Haushalten leben, die Leistungen nach dem Wohngeldgesetz beziehen. ebenfalls keine Berücksichtigung findet die Zahl der Kinder aus Flüchtlingsfamilien, die nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zirka ein Drittel weniger als die Sozialhilfe erhalten, sowie Kinder von "Illegalen", die überhaupt keine Transferleistungen beantragen können, weil sie sonst ausgewiesen und abgeschoben werden.
Auch denen, die Hartz IV durchgesetzt haben, fällt inzwischen auf, dass sie damit vor allem die Armut von Kindern vergrößert haben. Sie haben die Regelsätze von Schulkindern bis 14 Jahren auf das Niveau von Säuglingen und Kleinkindern gesenkt, den Heranwachsenden von 15 bis 18 Jahren den Wachstumsbedarf aberkannt und mit der Abschaffung der Schulbeihilfen die Bildungschancen der Kinder von Sozialleistungsbeziehern massiv verschlechtert.

208 Euro im Monat

Bei Hartz IV gibt es für ein Kind unter 14 Jahren 208 Euro im Monat. Diese 208 Euro setzen sich laut Gesetz aus vielen einzelnen Ausgaben-Positionen zusammen. Für Schulsachen ist jedoch kein einziger Cent vorgesehen. Wird ein Kind eingeschult, dann kostet die Grundausstattung - Ranzen, Mäppchen, Turnbeutel, Schultüte usw. - zusammen rund 180 Euro. Auch wenn in einem Schuljahr nichts Besonderes angeschafft werden muss, läppern sich die Beträge für Hefte, Tintenpatronen oder Kopien ganz schön zusammen, auf mindestens 50 Euro jährlich.
In ihren "Sonntagsreden" sprechen Politiker gern über gleiche Bildungschancen Solange aber Kindern aus Hartz-IV-Familien und Geringverdienerhaushalten schon das Geld für die Anschaffung notwendiger Schulsachen fehlt, sind wir von gleichen Chancen in der Schule Lichtjahre entfernt.
Die Festsetzung der Regelsätze ist genauso, wie die Gesetzgebung im SGB II, Bundespolitik. Diese Feststellung wird von Kommunalpolitikern schnell (und gerne?) vorgetragen, um sich aus der Verantwortung für die arbeitslosen Menschen in der Stadt zu verabschieden. Der Verweis auf die Bundespolitik heißt nichts anderes, als die Eltern und Kinder mit ihren Sorgen und Ängsten allein zu lassen. Es muss jedoch eine Lösung für die betroffenen Eltern geben, und es gibt sehr wohl Handlungsmöglichkeiten auf der kommunalen Ebene.

Schulmittelfonds

Die Einrichtung eines städtischen Schulmittelfonds wäre eine solche Möglichkeit. Aus diesem "Topf" sollen Hartz-IV-Bezieher, Arbeitslosengeld-I-Empfänger und Geringverdienende mit Wohngeldanspruch, sowie Asylbewerber eine Pauschale für die Einschulung und alle weiteren Schulstufen erhalten, die die wirklichen Kosten deckt.

80 Euro für jedes Kind

Die Stadt Oldenburg beispielsweise gewährt pro Schulkind und Schuljahr 50 Euro. In Osnabrück gibt es 50 Euro zum Beginn des 1., 5. und 11. Schuljahres. In Göttingen und in Mörfelden-Walldorf beträgt die Beihilfe 80 Euro für jedes Kind, das eingeschult wird und in München 100 Euro.
Wie man Presseveröffentlichungen entnehmen konnte (Frankfurter Rundschau vom 25.09.07), hält der Sozialdezernent Partsch einen solchen Schulmittelfonds "derzeit aber für nicht umsetzbar". Er verweist auf die angespannte städtische Haushaltslage und die Sparauflagen des Regierungspräsidiums, verspricht allerdings gleichzeitig eine ernsthafte Prüfung.

Unsere Meinung

Das Regierungspräsidium gab im selben Artikel bereits grünes Licht: "Hier ist Not am Mann. Da dürfte es von uns aus keine Schwierigkeiten geben, aber das muss die Stadt entscheiden." Mit relativ geringen Mitteln hat es also die regierende "Ampelkoalition" in Darmstadt in der Hand, einen konkreten Schritt gegen Armut und gesellschaftliche Ausgrenzung umzusetzen. Einen Schritt der denen hilft, die sich am wenigsten wehren können: den Kindern.