Haushalt 2013: Grün-schwarz verzichtet auf Einnahmen

Natalie Krieger

Die grün-schwarze Stadtregierung verbreitet selbstzufriedenen Optimismus. Man sei auf dem direkten Weg zum ausgeglichenen Haushalt, denn die Konsolidierungsmaßnahmen entfalteten bereits ihre Wirkung. Tatsächlich ist das für 2013 geplante Defizit um 20 Mio. € geringer veranschlagt als im laufenden Haushaltsjahr. Wie konnte das gelingen? Hatte der vorhergehende rot-grüne Magistrat diese Millionen sinnlos verpulvert?

Der scheinbare Konsolidierungserfolg ist äußeren Umständen zu verdanken: Die gute Wirtschaftslage verbessert die Einnahmen aus Steuern und Schlüsselzuweisungen um etwa 12 Mio. €. Der Bund zahlt ab 2013 um 2,7 Mio. € höhere Zuschüsse für die Grundsicherung im Alter. Durch Ausschüttungen der HEAG wird der Haushalt allein in den Bereichen Kultur, Bäder und Kitas um etwa 8,5 Mio. € gegenüber dem Vorjahr entlastet, und schließlich verringert sich der Zuschuss an die HEAG mobilo ohne Zutun des Magistrats um 1,6 Mio. €. Diese Effekte summieren sich auf fast 25 Mio. €.

Einen ganz speziellen Trick haben sich die Stadtoberen für den sozialen Wohnungsbau einfallen lassen: nach dem Motto "Mieter zahlen für Mieter" soll ein Teil der in 2013 erstmalig ausgeschütteten Bauverein-Dividende dafür eingesetzt werden. Diese finanziellen Spielräume stehen dann nicht mehr für eine sozialere Geschäftspolitik zur Verfügung. Bei dem geplanten Betrag von 2,2 Mio. € wären das im Durchschnitt jährlich etwa 200 € pro Wohnung.

Das strukturelle Defizit hingegen bleibt. Dieses will die Koalition durch ihr Haushaltskonsolidierungskonzept drastisch reduzieren: bis 2016 sollen danach 42 Mio. € eingespart werden. Doch das Konzept basiert zu großen Teilen auf dem "Prinzip Hoffnung". Die obigen Zahlen bestätigen, dass es im vorgelegten Entwurf nur wenig Wirkung entfaltet hat.

Für die Anhebung der Gewerbesteuer

Eine nachhaltige strukturelle Verbesserung der Haushaltslage würde die Erhöhung des Gewerbesteuer-Hebesatzes bewirken. Mit der Unternehmenssteuerreform 2008 hat die Bundesregierung die Gewerbesteuer bundesweit zugunsten der Unternehmer verändert. Damit wollte man ausdrücklich den Kommunen den Spielraum geben, ihre Hebesätze zu erhöhen und so die kommunalen Einnahmen zu verbessern. Doch die Darmstädter Politik bleibt trotz der schwierigen Finanzlage dabei, dieses Angebot nicht zu nutzen.

Im nebenstehenden Kasten wird die Auswirkung dieser Reform illustriert. Ein Handwerker mit einem jährlichen Ertrag von 75.000 € zahlt heute 5.000 € weniger an Gewerbe- und Einkommenssteuer als zuvor. Bei einer Kapitalgesellschaft wurde nicht nur der Gewerbesteuer-Satz um etwa ein Drittel verringert, sondern auch die Körperschaftssteuer von 25% auf 15% gesenkt. Vor diesem Hintergrund ist nicht zu befürchten, dass die Unternehmen durch eine moderate Erhöhung der Gewerbesteuer erdrückt würden, denn vor fünf Jahren hatten sie bereits deutlich mehr bezahlt.

DIE LINKE fordert, den Hebesatz von 425 auf 460 anzuheben und damit zusätzliche Einnahmen von 10 Millionen € zu schaffen. Damit zielen wir vor allem auf die Kapitalgesellschaften, die die volle Erhöhung von 8% zu tragen hätten. Für Einzelunternehmer macht sich die Erhöhung aufgrund der Kombination mit der Einkommensteuer deutlich schwächer bemerkbar. In unserem Beispiel sind es gerade einmal 2,5%. Weitere Informationen und Rechenbeispiel im Artikel Gewerbesteuer: Reform und Erhöhung.

OB Jochen Partsch hat diesen Vorschlag bei der Bürgerversammlung zum Haushalt zurückgewiesen. Bei einer Erhöhung würden große Unternehmen ins Umland abwandern. Doch wird ein Unternehmen, das in der Lage ist einen Gewinn von 10 Mio. € zu erwirtschaften, wegen 120.000 € zusätzlicher Steuern in den Landkreis umsiedeln? Unternehmen wie Merck oder Döhler packt man nicht mal eben in den Kofferraum. Bei den Bürgerinnen und Bürgern hatte die Koalition weniger Skrupel: ohne Rücksicht auf das Einkommen wurden wir alle durch die Erhöhung der Grundsteuer von 370 auf 460 bereits für viele spürbar zur Kasse gebeten.

Andere hessische Großstädte geben sich da nicht so ängstlich. Darmstadt (425) hat hinter Frankfurt (460), Kassel, Wiesbaden und Offenbach (jeweils 440) den niedrigsten Hebesatz aller hessischen Großstädte. Dabei ist das Gefälle zum Umland in den anderen Städten sogar größer: der durchschnittliche Hebesatz der Gemeinden im Kreis Darmstadt-Dieburg liegt mit 360 teilweise deutlich über dem jeweiligen Umland der anderen Großstädte (Frankfurt 320, Wiesbaden 325, Offenbach 345, Kassel 355). Die Hebesätze unserer Nachbargemeinden Pfungstadt (370) oder Weiterstadt (375) sind relativ hoch. Darmstadt braucht keine besonders niedrige Gewerbesteuer. Unsere Stadt wächst in rasantem Tempo. Sie ist attraktiv genug, sich gegen konkurrierende Gemeinden im Umland zu behaupten.

Wir wollen mit diesen Einnahmen Kürzungen und Schließungen verhindern. Gewachsene Einrichtungen und Projekte in den Stadtteilen dürfen nicht zerstört werden. Das betrifft aktuell z.B. die Stadtteilbibliotheken, aber auch Jugendhäuser und kulturelle Projekte sind in Gefahr.

Wir fordern als Teil geplanten Sozialpasses für einkommensschwache Darmstädterinnen und Darmstädter auch ein Sozialticket, also eine Ermäßigung auf HEAG-Zeitkarten. Hierfür soll zunächst 1 Mio. Euro bereit gestellt werden. Wir wollen, dass der soziale Wohnungsbau aus Haushaltsmitteln gefördert wird und nicht von den Mieterinnen und Mietern der Bauverein AG. Das sollte der Stadt 4 Mio. € wert sein. Wir wollen keinen weiteren Personalabbau. Viele Bereiche der öffentlichen Dienstleistungen sind bereits jetzt überlastet. Mit 4 Mio € könnte ein Personalabbau von 5% vermieden werden.

Der "kommunale Rettungsschirm" - ein vergiftetes Geschenk!

Jahrelang hat man die Kommunen finanziell ausbluten lassen – durch Steuerreformen, durch nicht kompensierte Pflichtleistungen und zuletzt durch die Kürzung des kommunalen Finanzausgleichs um 340 Millionen €. Um den Kommunen wieder auf die Beine zu helfen, bietet die Landesregierung nun großzügig einen „Rettungsschirm“ an. Darmstadt kann in den nächsten 30 Jahren 187 Mio € Schulden bei ermäßigtem Zinssatz vom Land tilgen lassen. Das bringt 9 Mio € Jahr für Jahr. Wo ist der Haken?

Der Rettungsschirm zwingt den Kommunen eine strenge Schuldenbremse auf. Bis 2017 muss der Haushalt der teilnehmenden Kommunen ausgeglichen sein. Eine leichte Übung, sagt Kämmerer André Schellenberg, denn die Koalition hat sich ja vorgenommen, das schon bis 2016 zu schaffen. Doch Zweckoptimismus und Realität sind zwei Paar Schuhe. Nichts spricht dafür, dass bis 2017 durch Optimieren und moderates Kürzen ein ausgeglichener Haushalt möglich ist – zumal zu befürchten ist, dass die voranschreitende Wirtschaftskrise und die wachstumshemmende Politik Europa die momentan günstigen äußeren Bedingungen wieder verschlechtern wird.

Der Rettungsschirm wird keine Kürzungen verhindern, sondern zu ihrer politischen Durchsetzung beitragen. Die Kommunalpolitiker werden sich hinter dem Rettungsschirm verstecken, um „alternativlose“ drastische Kürzungsprogramme durchzusetzen. Mit der Entscheidung für den Rettungsschirm bestimmen die Stadtverordneten heute den Handlungsspielraum der Politik in den nächsten Jahrzehnten. Das ist, genauso wie die Schuldenbremse und der Fiskalpakt, eine nicht akzeptable Einschränkung der Demokratie.

Die Alternative zu Entdemokratisierung und Kaputtsparen ist, die Reichen und die Krisengewinner endlich in die Pflicht zu nehmen. Große Vermögen und hohe Einkommen müssen wieder stärker besteuert werden. Die Löhne und Renten müssen steigen, und mit ihnen die Kaufkraft und die Steuereinnahmen. Bis das erreicht ist, dürfen wir nicht zulassen, dass bei Bildung, Kultur und sozialer Teilhabe gekürzt wird.