Hindenburgstraße

Werner Krone

Der Beschluss des Beirates für Straßenbenennung dem Magistrat der Stadt Darmstadt die Umbenennung der Hindenburgstraße zu empfehlen hat einige Reaktionen ausgelöst. Ganze Leserbriefseiten in der regionalen Presse waren die Folge. So manch konservativer Geist meinte Hindenburg verteidigen zu müssen. Nachfolgender Leserbrief wurde bedauerlicherweise nicht abgedruckt.
Eine Würdigung Hindenburg darf ihn nicht auf seine letzten Jahre reduzieren. Nachdem die Hurra-Patrioten das Ihre dazu getan hatten, Deutschland 1914 in den 1. Weltkrieg zu stürzen, kam die russische Armee schneller in Gang, als es sich die vaterländischen Strategen ausgerechnet hatten. Da kam dem Chef des Generalstabes ein gewisser Erich Ludendorff in den Sinn. Der hatte gleich zu Anfang beim Überfall auf Belgien eines der neun Forts der Festung Lüttich mit dem Säbelknauf erobert, mit dem er ans Tor klopfte. Dieser Tausendsassa sollte nun in Ostpreußen die russischen Armeen der Generäle Paul von Rennenkampf und Alexander Samsonow aufhalten. Vorgeblich wegen der zu geringen Anzahl der Dienstjahre, wohl eher weil es ihm an blauen Blute gebrach, wurde Ludendorff der seit 1911 im Ruhestand befindliche General Paul von Beneckendorff und von Hindenburg als Vorgesetzter beigestellt. Bei seiner Berufung zum Oberbefehlshaber der 8. Armee erhielt Hindenburg die Weisung, allen Planungen und Kampfanweisungen Ludendorffs keinen Widerstand entgegenzusetzen. Und wieder hatte Ludendorff das Glück auf seiner Seite. Die bessere Aufklärung auch durch Flugzeuge und einen Zeppelin (eine der Luftschiffhallen aus Allenstein ist in Darmstadt in der Landwehrstraße erhalten), das Entschlüsseln russischer Funksprüche und vor allem die gegenseitige persönliche Feindschaft der russischen Generäle halfen Ludendorff, die überlegenen russischen Armeen nacheinander einzukesseln und zu besiegen. Gemäß Zeitzeugen half ihm Hindenburg durch seine Ruhe (manche nannten es später Dickfelligkeit) und durch sein Charisma, vor allem aber durch markige Ansprachen und überhaupt eine gute PR-Arbeit. Der Respekt verlangt zu erwähnen, dass bei den Schlachten 100.000 russische und deutsche Soldaten verheizt wurden.
Ist schon der Beitrag Hindenburgs ein Mythos, ist es der Name der ersten Schlacht nicht minder. Obwohl Tannenberg eher am Rande der Kampfhandlungen lag, wählte Hindenburg den Namen des Ortes als späte Rache für eine gleichnamige Schlacht im Jahre Beweise? 1410. Damals war der Deutsche Orden von einem polnisch-litauischen Heer besiegt worden. Nun hatte man "einen neuen slawischen Einbruch mit dem Schwerte abgewiesen".
Hindenburg aber war fortan der Held von Tannenberg. Die deutsche Kriegspropaganda entfesselte einen Kult um Hindenburg, den "Retter Ostpreußens", den "Russenschreck". Straßen und Plätze wurden nach ihm benannt. In hölzerne Hindenburg-Statuen konnte man bei der Zeichnung von Kriegsanleihen Nägel einschlagen. Ab dem Jahre 1916 übten Hindenburg und Ludendorff als Kopf der Obersten Heeresleitung eine rücksichtslose, faktische Militärdiktatur aus, in der Kaiser Wilhelm II nur noch als Marionette erschien. Beide zusammen erfanden noch in der Stunde des militärischen Scheiterns 1918 die "Dolchstoßlegende", die das Klima in der Republik von Weimar vergiften sollte.
Im Jahre 1925 verhalf der mythische Ruhm Hindenburg ins Amt des Reichspräsidenten. Hier fiel er durch den Osthilfe-Skandal auf. Auch heute wäre die Geschichte um die Entschuldung seines Gutes Neudeck durch eine Lobby eine Kriminalgeschichte, würde als Vorteilsannahme im Amt bezeichnet. Die Indizien sprechen dafür, dass das beiderseitige Wissen um Details die Machtübergabe an die Nationalsozialisten enorm befördert hat. Der preußische Staatsstreich vom Juli 1932 dürfte dieselbe Wurzel haben, war doch Ministerpräsident Otto Braun ein Befürworter eines Untersuchungsausschusses.
Zum Jahrestag der "Schlacht von Tannenberg" im August 1933 bekam Hindenburg von Göring eine Urkunde, mit der Domäne Langenau und dem Forst Preußenwald nahe Gut Neudeck als Geschenk.
Es ist also nach wie vor unverständlich warum der Magistrat der Stadt die längst überfällige Umbenennung nicht endlich in Angriff nimmt. Braucht es noch mehr Braucht es ein weiteres Auftreten von Nazis, wie in Griesheim geschehen? Gemeinsam gegen Rechts demonstrieren ist das Eine, konkrete Taten das Andere.