Informationsfreiheit: weg mit alten Zöpfen

Werner Krone

Es kann viele Gründe geben, etwas von der Stadt wissen zu wollen: wieso ein von Ihnen gestellter Antrag nicht genehmigt wurde, wie sich die Höhe Ihrer Kanalgebühr oder eines Erschließungsbeitrages erklärt oder welche Firmen zu welchen Preisen Straßenpflaster angeboten haben. Bisher gab es keine Regelung, welche die Verwaltung zur Auskunft zwang.
Dies regelt wie in über 50 Staaten seit Anfang 2006 auf Bundesebene ein Informationsfreiheitsgesetz. Auf Länderebene gibt es ein solches Gesetz bereits in Berlin, NRW, Hamburg und Bremen. In Hessen wird zur Zeit darum gerungen. Auf der Kommunalebene dagegen Fehlanzeige! Dabei brauchen die gesetzlichen Regelungen nicht neu erfunden, sondern mit einem Beschluss nur übertragen werden. Wir haben hierzu einen Antrag in die Stadtverordnetenversammlung eingebracht:
"Der Magistrat wird aufgefordert zu prüfen, ob das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes sinn- und wortgemäß auf die Stadt Darmstadt übertragen werden kann. Die Prüfung soll auch die Anwendung dieses Gesetzes auf Eigen- und Beteiligungsbetriebe beinhalten. Der Stadtverordnetenversammlung ist nach Abschluss zu berichten."
Hierum geht es: Alle natürlichen und juristischen Personen - ob Deutsche oder Ausländer - haben einen Auskunftsanspruch gegenüber der Verwaltung. Das Auskunftsersuchen muss nicht begründet werden. Eine Anfrage ist innerhalb von einem, in komplizierten Fällen in zwei Monaten, zu bearbeiten. Die Ablehnung eines Ersuchens muss schriftlich begründet werden: Natürlich ist Transparenz auch der Zaubertrank für die Vermeidung von Korruption. Wer damit rechnen muss, dass jeder Fachmann das Recht hat, in den Akten einen Verdacht zu verfolgen, wird sich genauer beobachtet fühlen: Tatsächlich zeigt der Korruptionsindex der Nichtregierungs-Organisation "Transparency International", dass vor allem Länder mit Informationsfreiheitsgesetzen gut abschneiden. Damit der Bürger der Stadt nicht zum Kunden reduziert wird, muss die Verwaltung ihr Handeln ihm gegenüber offen legen. Transparenz ist kein Selbstzweck. Sie ist ein unverzichtbares Element einer Bürgergesellschaft und der Demokratie. Denn nur wenn der öffentliche Sektor und insbesondere die Verwaltungen transparent handeln und die Bürger umfassend und frühzeitig informiert sind, können sie sich auch qualifiziert an gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen beteiligen. Sonst entsteht eine zweigeteilte Gesellschaft von Wissenden und Unwissenden. Landtagsabgeordneter Michael Siebel (SPD) meint, das Gesetz schaffe "Waffengleichheit zwischen Bürger und Staat." Eben.
Nachlese: Unser oben erwähnter Antrag sollte in der Stadtverordnetenversammlung am 19. September behandelt werden. Leif Blum (FDP) stellte in dieser Sitzung den Geschäftsordnungsantrag auf "Nichtbefassung". Begründung: Gesetze könnten nicht von Stadtverordneten behandelt werden. Es stellte sich also heraus, dass nur die Kleinfraktionen an Transparenz interessiert zu sein scheinen. Blum hätte als Begründung auch benennen können, es sei Dienstag und Herbst oder sein Horoskop verbiete den Antrag. Uns sind schon öfter Informationen von städtischen Betrieben nicht gegeben worden. Bürgerinitiativen wie die IG Abwasser können ein Lied davon singen. Und wie war das noch mit dem indischen Pflaster am Hauptbahnhof oder auf dem Marktplatz? Wir haben gute Gründe, das Informationsfreiheitsgesetz auf unsere Stadt zu übertragen. SPD und Grüne wollen Gleiches für das Land Hessen. Sie haben sich selbst verraten. Leif Blum seine Liberalität aber auch.