Sozialdezernat: Zweckentfremdung und verspäteter Aktionismus

Frank Gerfelder-Jung

Wir haben die Sozialdezernentin Barbara Akdeniz (Grüne) immer wieder nach der Umsetzung des Bildungs- und Teilhabepakets (BuT) des Bundes gefragt. Auch, was mit den nicht abgerufenen Mitteln des BuT aus dem letztem Jahr passiert (siehe letzte Ausgabe). Das hat wohl dazu geführt, dass das Sozialdezernat nun in einen erfreulichen Aktionismus verfällt

Im Spätsommer wurde ein "Aktionsplan" erarbeitet. Der soll für den Rest dieses Jahres sicherstellen, dass für die über 5000 berechtigten Darmstädter Kinder und Jugendlichen weit mehr Anträge als bisher gestellt wurden Das ist durchweg sinnvoll, aber Frau Akdeniz muss sich schon die Frage gefallen lassen, warum erst so spät? Schon viel länger war klar, dass das BuT praktisch als Rohrkrepierer und Mogelpackung zu bezeichnen ist.

So sind für 2011 nur 30.44% der rund 1,6 Mio. Euro des Bundes als Leistungen aus dem BuT den betroffenen Kindern gewährt worden. 456.534,09 Euro wurden für Zwecke des BuT ausgegeben, und rund 1,15 Mio. Euro flossen alsdann in den allgemeinen kommunalen Sozialetat.

Zweckentfremden zum Löcherstopfen

Wir haben vorgeschlagen, diese 1,15 Mio. Euro als einmalige Leistung an die betroffenen Kinder und ihre Familien auszuzahlen. Damit konnte sich Frau Akdeniz nicht anfreunden.. Vielmehr wurden mit der Million kommunale Löcher in der Kinderbetreuung und der Schulsozialarbeit gestopft. Wer sich vehement gegen Gewerbesteuererhöhung und die Einführung einer Vermögenssteuer ausspricht, muss sich mit Zweckentfremdung von Mitteln behelfen. Und wer nicht bereit ist, das Geld da zu holen, wo es im Überfluss ist, dem fällt zu Haushaltskonsolidierung selbstredend nur das Kürzen von Ausgaben ein. Diese Art Mittelmissbrauch aus dem BuT allerdings auch noch als soziale Wohltat für die betroffenen Kinder und ihre Familien zu rechtfertigen, ist, gelinde gesagt, dreist.

Hier zeigt sich einmal mehr, dass die Denke grüner Sozialpolitiker keineswegs den Auffassungen neoliberaler Akteure widerspricht.

Sie eint der Glaube daran, dass mehr Geld für die Armen nur einen "Fehlanreiz" darstellt, der ihrer Motivation zur Beseitigung Ihrer Lage abträglich ist. Da ist zusammengewachsen, was vom Klassencharakter ohnehin zusammengehört.

Auch 2012 keine Änderung

Für dieses Jahr zeichnet sich ab, dass wohl auch auf Grund des Aktionsplanes deutlich mehr Mittel des BuT an bedürftige Kinder und Jugendliche in Form bewilligter Leistungen fließen. So rechnet die Sozialdezernentin für dieses Jahr damit, dass von den 1,6 Mio. Euro des Bundes circa 700.000 bis 800.000 Euro als BuT-Leistungen gewährt werden. Das bezeichnet Frau Akdeniz vollkommen zu Recht als "noch nicht zufriedenstellend".

Auch alles andere als zufriedenstellend ist der Umstand, dass für die 3435 berechtigten Kinder und Jugendlichen im Hartz-IV-Bezug gerade einmal 12% der möglichen Anträge gestellt wurden (Stand: 7.09.2012).

So erwarteten wir für den ersten Teil unseres Antrages zur "Verwendung von Haushaltsmitteln aus dem Bildungs- und Teilhabepaket des Bundes" in der November-Stadtverordnetenversammlung eine breite Mehrheit. Der Magistrat sollte aufgefordert werden "alle Anstrengungen zu unternehmen, damit die für das Haushaltsjahr 2012 für das Bildungs- und Teilhabepaket zur Verfügung gestellten Mittel des Bundes in vollem Umfang ausgeschöpft werden."

Aber weit gefehlt, die grün-schwarzen Koalitionäre konnten sich nicht dazu entschließen diese Forderung zu unterstützen. Dabei dachten sie wohl mal wieder an das Stopfen von Haushaltslöchern. Das wird die betroffenen Kinder und ihre Familien nicht zufrieden stellen, Frau Akdeniz.

Dabei sind besondere Anstrengungen dringend notwendig. Denn die Gesamtausgaben für das BuT für 2012 bilden die Berechnungsgrundlage für Zuweisungen im nächsten Jahr. Würde das Budget also nur zu 50% ausgeschöpft, würden für 2013 auch nur 50% der Mittel von 2012 zur Verfügung stehen. Zunächst einmal erhalten die Kommunen für 2013 zunächst die Summe, die sie auch 2012 bekamen. Nach der Spitzabrechnung und Überprüfung des Bundes - ab 31.nbsp;März 2013 - wird dann gegengerechnet und die Summe für 2013 rückwirkend angepasst.

Künftiger Sozialpass ein Placebo?

Im zweiten Teil unseres Antrages forderten wir: "Mögliche nicht verausgabte Haushaltsmittel des Haushaltsjahres 2012 aus dem Bildungs- und Teilhabepaket werden in das Haushaltsjahr 2013 übertragen. Die Mittel sind zweckgebunden für die Wiedereinführung der Fahrpreisermäßigung um 1/3 bei Monatsfahrkarten im ÖPNV für SGB-II-Leistungsberechtigte zu nutzen und entsprechend in den für 01.03.2013 avisierten kommunalen Sozialpass zu integrieren."

Mit 800.000 - 900.000 Euro Restmitteln des BuT aus 2012 wäre es möglich, das Problem der Mobilität für Darmstädter Hartz-IV-Leistungsempfänger und ihre Familien im Rahmen des angekündigten kommunalen Sozialpasses zumindest anzugehen. Dabei ist für die geplante Einführung eines Sozialpasses zum 1.nbsp;März 2013 nur eines gewiss: Eine Fahrpreisermäßigung wird damit nicht verbunden sein.

Akdeniz Vorgänger im Sozialdezernat, dem jetzigen OB Jochen Partsch, haben es die Hartz-IV-Empfänger in Darmstadt zu verdanken, dass vor rund zwei Jahren die Ermäßigung um 1/3 bei HEAG-Monatsfahrkarten ersatzlos gestrichen wurde.

Unsere Meinung

Die Ablehnung des zweiten Antragsteils zeitigte einmal mehr die umfassende Einigkeit der Hartz-IV-Parteien Grüne, CDU und SPD. So lässt sich schon jetzt für die angekündigte Darmstädter "Teilhabekarte" - so möchte Frau Akdeniz den Sozialpass benennen - vorhersagen, dass sie der Eigenwerbung des Magistrats mehr nutzt als den Betroffenen, die eine nachhaltige Unterstützung auch und gerade im Hinblick auf Mobilität dringend benötigen.