Städtischer Haushalt - Blut und Tränen

Rainer Keil

Dass die Haushaltslage der Stadt Darmstadt schwierig ist, ist weder neu noch ein Geheimnis. Das Regierungspräsidium (RP) Darmstadt hat jetzt den Haushalt 2007 genehmigt, allerdings mit erheblichen Auflagen. So ist das Defizit im Verwaltungshaushalt bis Ende des Jahres von 33,7 Millionen Euro auf 17 Millionen Euro zu reduzieren. Ein Haushaltskonsolidierungskonzept ist vorzulegen. Stellenbesetzungssperre, keine Schaffung neuer Stellen und Abbau außertariflicher Leistungen sind weitere Punkte in der Genehmigungsverfügung des RP.
Die Stadt hat zunächst eine 10-prozentige Haushaltssperre verfügt. In öffentlichen Statements haben OB Hoffmann und Kämmerer Glenz (beide SPD) schon drastische Sparmaßnahmen angekündigt. Im Mittelpunkt stehen Bäder und Freizeiteinrichtungen, freiwillige Leistungen der Stadt sollen auf den Prüfstand.

Stadt hält an Großprojekten fest

Wenig Kreativität lassen die Stadtvorderen beim Sparen an Groß- und Prestigeobjekten erkennen. Trotz dramatischer Haushaltslage und Sparverfügung des RP werden an Renommierprojekten keine Abstriche gemacht. Die geplante Nordostumgehung wird die Stadt 56 Millionen Euro kosten. Die Anbindung mit einem unsinnigen ökologisch katastrophalen, Bypass wird weitere Millionen kosten. Das Darmstadtium wird die nächsten Jahre jährliche Folgekosten produzieren, die sich zwischen 1,5 Millionen und 2,5 Millionen Euro jährlich bewegen dürften.

Ausgeglichener Haushalt?

Trotz der oben geschilderten Tatsachen scheint bei der Darmstädter Ampelkoalition der Optimismus nicht auszugehen. Da wird von ausgeglichenen Haushalten fabuliert. Die FDP, in der Opposition jahrelang Dauernörgler und Spezialist für Personalabbau, sieht Darmstadt plötzlich auf einem guten Weg. Und überhaupt, woanders ist alles viel schlimmer!
An der letzten Aussage ist sicher was dran, Haushaltsdefizite sind kein Darmstädter Phänomen. Die Lage der bundesdeutschen Städte und Kommunen ist mehr als angespannt.
Es gelingt nur noch wenigen Städten und Gemeinden, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Die Schulden der bundesdeutschen Kommunen sind auf 87 Milliarden Euro angewachsen, die Höhe der Kassenkredite auf 28 Milliarden Euro. Das gebetsmühlenartige Argument der Entlastung der Kommunen durch Einführung von Hartz IV hat sich mittlerweile in Luft aufgelöst. Eine Gemeindefinanzreform, die diesen Namen verdient, ist nicht in Sicht.
Das hat unsere Fraktion schon mehrfach veranlasst, die Stadtverordnetenversammlung zu einer politischen Aussage zu bewegen. Das letzte Mal bei den Beratungen des Nachtragshaushaltes 2006 mit folgender Resolution:
Die Stadtverordnetenversammlung der Wissenschaftsstadt Darmstadt fordert Bundesregierung und Bundestag, sowie Landesregierung und Landtag des Landes Hessen auf, umgehend Maßnahmen zu ergreifen, die finanziellen Rahmenbedingungen der Städte und Gemeinden nachhaltig zu verbessern. Eine Gemeindefinanzreform ist dringend von Nöten.
Es bedarf einer umfassenden Reform, um die Schieflage der kommunalen Finanzausstattung dauerhaft und nachhaltig zu überwinden. Dabei geht es primär um mehr Stabilität und Planungssicherheit für die Kommunen und sekundär um nominal höhere gemeindliche Einnahmen. Eine angemessene und aufgabengerechte Finanzausstattung für die Kommunen ist zu sichern, Kommunen sind dauerhaft aus ihrer Bittstellerrolle zu befreien.
Die Resolution wurde auf Antrag der SPD mit Nichtbefassung beschieden bei Zustimmung aller etablierten Parteien. Verwundern muss das nicht wirklich: Sind es doch Vertreter der Parteien, die es schon jahrelang nicht schaffen, auf Bundes- und Landesebene eine vernünftige Kommunalfinanzreform auf den Weg zu bringen.
Beispiel gefällig? Die Stadt Darmstadt hat im Bereich Soziales Ausgaben in Höhe von 99 Millionen Euro dank Bundesgesetzen wie der Arbeitsmarktreform Hartz IV. Dem stehen Einnahmen in Höhe von 18 Millionen gegenüber. So vorgetragen in der Sitzung der Stadtverordnetenversammlung im September 2007 vom zuständigen Stadtrat Jochen Partsch dessen grüne Partei für die Agenda 2010 mitverantwortlich zeichnet.
Städte und Kommunen erhalten unter 14 Prozent der Gesamt-Steuermittel, müssen aber den Großteil der Ausgaben und Investitionen stemmen. Wer an diesem Missverhältnis nichts ändert, sollte über ausgeglichene Haushalte schweigen.

Zauberwort Doppik mehr Transparenz?

Immer mehr Kommunalpolitiker sehen sich zur Zeit mit dem Problem der Umstellung des kommunalen Haushaltsrechts von der Kameralistik hin zur Doppik konfrontiert. So auch Darmstadt. Der Haushalt 2008 wird erstmals in doppischer Form vorliegen. Doppik ist ein Kunstwort aus der Betriebswirtschaftslehre. Die Abkürzung steht für die kaufmännische Doppelte Buchführung in Konten. Das neue Haushaltsrecht soll alle Abschreibungen von Kommunalvermögen ausweisen. Neben verschiedenen Wirtschaftsplänen (Erfolgsplan, Vermögensplan, Finanzplan, Produktplan, Stellenplan) wird eine Ergebnisrechnung und eine Bilanz aufgestellt. Die Begründungen für die Einführung des neuen Haushaltsrechts sind vielfältig und an sich schon entlarvend. Als Ursache sieht zum Beispiel der Bund der Steuerzahler die kommunale Haushaltskrise Anfang und Mitte der 90-er Jahre.
Aspekte dieser Krise seien steigende Sozialhilfezahlungen, ausufernde Personalhaushalte, explodierende Kommunalverschuldungen. Das neue Steuerungsmodell hat seinen Ursprung in der Finanzierungskrise der öffentlichen Haushalte, einer ständig steigenden Staatsquote, der Wahrnehmung einer mangelhaften Ergebnis- und Prozessqualität in der öffentlichen Verwaltung und einer unzureichenden Kundenorientierung. (aus: www.doppik-hessen.de)
Im Schatten der Doppik- Einführung tummeln sich die Apologeten von freier "Marktwirtschaft" und Privatisierung. Die Kommunen müssten effektiv und kostenorientiert sein, flexibler arbeiten - hin zu einem Dienstleistungsunternehmen. Der Konzern "Kommune" wird Wirklichkeit. Für Daseinsvorsorge ist da kein Platz, sie wird durch das Profitprinzip abgelöst.

Haushalt transparenter?

Der doppische Haushalt wird nicht wie angekündigt transparenter. Weder für Bürgerinnen und Bürger noch für Stadtverordnete, Stadträte und Gemeindevertreter. Schon die "Eröffnungsbilanz" wurde in den Kreisen und Städten, die bisher auf das neue Haushaltsrecht umgestellt haben, nicht immer erstellt. In Darmstadt wurde sie für Oktober 2008 angekündigt - frühestens.
Das für "Berichtswesen" bei der Doppik-Umstellung in Hessen sieht für die Öffentlichkeit und die Mandatsträger einen Quartalsbericht vor. In der Praxis findet dies aber kaum statt. Steuerungs- und Einflussmöglichkeiten sind nur sehr beschränkt möglich. Es wird in Zukunft sehr viel schwerer werden, Kürzungen im sozialen oder kulturellen Bereich zu entdecken und öffentlich zu machen.

Bürgerhaushalt für Darmstadt

Wie oben beschrieben wird der doppische Haushalt keine höhere Transparenz bringen. Auf der anderen Seite ist es ein berechtigtes Interesse der Bürgerinnen und Bürger zu wissen für was ihr Geld ausgegeben wird und in letzter Konsequenz auch darüber mitzubestimmen. Aus diesem Grund hat unsere Stadtverordnetenfraktion folgenden Antrag ins Stadtparlament eingebracht:

Der Magistrat wird beauftragt,

  1. eine Arbeitsgruppe zum Thema Bürgerhaushalt der Wissenschaftsstadt Darmstadt zu bilden. Sie soll aus Vertreterinnen und Vertretern aller Fraktionen, des Magistrats, der Kämmerei und sachkundigen Bürgerinnen und Bürgern bestehen. Die Arbeitsgruppe soll Erfahrungen aus bereits durchgeführten Modellprojekten (für Stadt oder kommunale Bürgerhaushalte) analysieren, auswerten und nutzbar machen.
  2. Die Arbeitsgruppe legt der Stadtverordnetenversammlung bis Mitte 2008 einen Ablaufvorschlag für die Einführung eines städtischen Bürgerhaushaltes ab dem Haushaltsjahr 2009 vor.
  3. Aus dem Entwurf des Haushaltplanes 2008 ist eine lesbare (bürgerfreundliche, aber auch internetfähige) Kurzform mit Befragungsteil zu erarbeiten und an alle Darmstädter Haushalte zu versenden.

 

Im Sommer dieses Jahres ließ die Darmstädter SPD über die Presse verlautbaren sich für mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung einsetzen zu wollen. In der Stadtverordnetenversammlung am 04.10.07 wurde unser Antrag auch mit den Stimmen der SPD abgelehnt. Es wurde zum wiederholten Male deutlich: Sonntagsreden in der Presse - konkrete Schritte hin zu mehr Transparenz und Bürgerbeteiligung: Fehlanzeige.

Unsere Meinung

Einen kleinen Erfolg konnten wir dennoch verbuchen: Stadtkämmerer Glenz stellt für Mitte nächsten Jahres einen lesbaren Haushalt für Darmstadt in Aussicht. Wir werden sehen, ob auch das nur unter Sonntagsrede zu verbuchen ist.