TTIP-Freihandelsabkomen der EU mit den USA. Was genau steckt dahinter?

Martina Hübscher Paul

Wer verhandelt? Und was geht es uns an, hier in Darmstadt?

Die USA und die EU verhandeln über ein Freihandelsabkommen, TTIP genannt. TTIP steht für Transatlantic Trade and Investment Partnership, also Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft. Es soll die mächtigste Freihandelszone der Welt etablieren. Seit Mitte 2013 verhandeln EU und USA nun darüber hinter verschlossenen Türen, offiziell "um den Verhandlungserfolg nicht zu gefährden". Unter Ausschluss der Öffentlichkeit wird über die Angleichung - "Harmonisierung" - von Normen, Gesetzen und Standards, den sogenannten "Handelshemmnissen", geredet. Auf den geheimen Verhandlungstisch zwischen der EU-Handelskommission, den Verhandlungspartnern der USA und rund 90 Industrievertretern und Lobbyisten kommt alles: Finanzmarktregeln, Arbeitnehmerrechte, Umweltstandards und vieles mehr.

Die so genannte Abschaffung von Handelshemmnissen ist kein Abbau von Zöllen, denn zwischen den USA und der EU gibt es nur noch wenige Zollbestimmungen. Das eigentliche Ziel von TTIP ist die Harmonisierung "nicht-tarifärer Handelshemmnisse" und die Liberalisierung der öffentlichen Dienstleistungen, damit gegenseitiger Handel und Investitionen einfacher werden. Nicht-tarifäre Handelshemmnisse sind bewusst gesetzte Beschränkungen des Außenhandels. Dahinter stecken zum Beispiel soziale und ökologische Vorgaben, welche Dienstleistungen und Produktion regeln. Harmonisierung heißt vor allem Absenken auf die jeweils niedrigeren Standards von Regulierungen in den Bereichen Finanzdienstleistungen, Chemikaliensicherheit, Verbraucherschutz, Arbeitnehmerrechte, Landwirtschaft, öffentliche Dienstleistungen und weiteren Bereichen unseres alltäglichen Lebens. Standards unserer innereuropäischen und innerstaatlichen Gesetze, Regulierungen und Subventionen, die einst mühsam erkämpft und in demokratischen Abstimmungsprozessen beschlossen wurden, werden so zu Handelshemmnissen. Damit könnten Fracking, Chlorhühnchen oder genmanipuliertes Essen problemlos Einzug in die EU erhalten und die bessere Finanzmarktregulierung der USA könnte auf EU-Niveau abgesenkt werden. Aber auch Arbeitsstandards wie Kündigungsschutz oder Elternzeit könnten US-Regeln angeglichen werden. Die bestehenden Standards auf beiden Seiten des Atlantiks, die durch progressive Politik und zivilgesellschaftlichen Druck über Jahre hin erkämpft wurden, werden durch TTIP dem Druck der Absenkung und des internationalen Wettbewerbs preisgegeben.

Sind die TTIP-Verhandlungen beendet, müssen die Verträge als Ganzes vom Europäischen Parlament ratifiziert werden, Änderungen können keine mehr vorgenommen werden. Das TTIP-Abkommen wird somit für die EU-Mitgliedsstaaten bindend. Sämtliche Gesetzesvorhaben auf EU und nationalstaatlicher Ebene sind vor Erlass mit TTIP abzugleichen.

Geht das den Vertretern der Wirtschaft nicht weit genug, räumt TTIP den Unternehmen einen Investitionsschutz ein. Dies ist ein Sonderklagerecht abseits der öffentlichen, demokratischen Gerichtsbarkeit. Statt bei ordentlichen Gerichten kann ein Unternehmen einen Staat vor einem speziellen Schiedsgericht anklagen. Dieser Mechanismus wurde ursprünglich in Handelsabkommen eingefügt, um Enteignungen ausländischer Konzerne durch autokratische Regierungen und korrupte Justizsysteme zu verhindern. Schiedsgerichte tagen und entscheiden nicht öffentlich und somit unkontrollierbar - eine Privatisierung der Justiz, die strikt abzulehnen ist. Es ist zu befürchten, dass Staaten künftig lieber auf Verbesserungen im Verbraucherschutz, bei Sozialstandards oder im Umweltbereich verzichten, als sich mit internationalen Konzernen anzulegen.

Geheimverhandlungen, Harmonisierung von Handelshemmnissen, Sonderklagerecht für Konzerne vor privaten Schiedsgerichten werden sich auch auf Darmstadt auswirken.

Denn TTIP umfasst auch kommunalrelevante Handlungsbereiche, etwa öffentliche Aufträge, Energie und Trinkwasser und das Planungsrecht. Auch die HSE könnte unter Druck internationaler Konzerne geraten, die ihren "Markt" gewinnorientiert und privatisiert ohne öffentliche Kontrolle erweitern wollen. Soziale und ökologisch hohe Standards, an denen sich auch unsere Auftragsvergabe und Beschaffung orientiert und so auch Arbeitsplätze in der Region sichern, werden mit TTIP nicht zu halten sein.

TTIP, so wie es derzeit verhandelt wird, bezahlen die Bürger der EU und der USA mit einem beispiellosen Abbau von Produktionsstandards, Verbraucher- und Arbeitnehmerrechten, Lohnniveaus, Umweltschutz und unserer demokratischen Rechtsstaatlichkeit.

Deshalb fordern wir die TTIP-Verhandlungen, so wie sie jetzt geführt werden, zu stoppen. Umwelt- und Verbraucherschutz, Arbeitnehmerrechte, soziale Standards und unsere Demokratie bis hin in die Kommune sind keine Handelshemmnisse sondern die Grundlage unserer Gesellschaft. Nur demokratisch, öffentlich und transparent ausgehandelte und hohe Standards ausgehandelte und hohe Standards geben Unternehmen wirkliche Planungssicherheit. Öffentliche Daseinsvorsorge und Dienstleistungen wie Wasserversorgung, das Gesundheitswesen und die Bildung an Schulen und Universitäten müssen öffentlich und demokratisch kontrolliert bleiben, damit jeder Bürger freien Zugang zu ihnen behält.

Die LINKE hat in der Stadtverordnetenversammlung vom Juni 2014 einen Antrag eingebracht, der sich kritisch mit den TTIP-Verhandlungen auseinandersetzt und den Magistrat der Stadt Darmstadt auffordert, durch eine deutliche kritische Positionierung zu den TTIP-Verhandlungen dazu beizutragen, den Druck von unten gegen das TTIP so wie es zurzeit verhandelt wird zu verstärken.

Unsere Meinung

Neben unserem TTIP-Antrag lag ein Antrag der grün-schwarzen Koalition vor. Während der Antrag der LINKEN einen deutlichen Stopp der undemokratischen und geheimen TTIP-Verhandlungen fordert und Neuverhandlungen nur auf Basis offener transparenter und demokratischer Entscheidungsprozesse sieht, beinhaltet der Koalitionsantrag lediglich ein bisschen Kosmetik am Verhandlungsstil, ein bisschen mehr Öffentlichkeit, aber letztendlich doch Weiterverhandeln des TTIP. Wir finden das deutlich zu kurz gegriffen.