Wunderbare Bypass-Welt der ICE-Strecke Rhein/Main-Neckar

Werner Krone

Vom Flughafen Rhein-Main führt seit einigen Jahren eine schnelle ICE-Strecke über Taunus und Westerwald nach Köln. Ebenfalls seit Jahren führt eine weitere Sprinterstrecke von Mannheim nach Stuttgart. Nun wollen beide auf 300 km/h ausgelegte Rennstrecken miteinander verbunden werden.
Einerseits soll die Neubaustrecke dem Flugzeug Konkurrenz machen, andererseits auch nicht zuviel Landschaft verbrauchen. Deswegen ist ein Verlauf möglichst parallel bestehender Autobahnen geplant. Ähnlich den Schnellstrecken in Japan und Frankreich wir in Ballungsgebieten jeweils einmal gehalten. Im Rhein-Main-Gebiet war für die neue Strecke Köln-Stuttgart ein Halt am Flughafen geplant. Aus Mainz, Wiesbaden, Frankfurt und Aschaffenburg muss hierzu angereist und umgestiegen werden. Nur eine Stadt soll privilegiert sein: Darmstadt.
Als ehemalige Residenzstadt darüber erhaben, sich in einem Ballungsraum einzuordnen, gibt man sich eigene Regeln. Hierzu wird ein Stück aus dem Rhein-Main-Gebiet ausgeschnitten, um Odenwald und Bergstraße vergrößert und als eigene "Region" verkauft. Das wird dann "Starkenburg" genannt. Dabei ist das ein Kunstname, Anfang des 19. Jahrhunderts von großherzoglichen Kanzleiräten erfunden für eine der Provinzen des damals neuen Großherzogtums. Nun führt er als Mumie immer noch ein spukhaftes Dasein, wenn Darmstadt seine Wichtigkeit betonen will.
Oberbürgermeister Hoffmann hat nun mit dem DB-Macher Mehdorn einen Halt in Darmstadt ausgehandelt, und dafür soll ein "Bypass" geschaffen werden, weil der bekanntlich Leben retten kann. Dabei ist es der Sargnagel für den Westwald. Denn zusätzlich zur Schnellstrecke soll nun auch für die Verbindungsstrecken im Norden und Süden von Darmstadt Wald (Bannwald!) unwiederbringlich vernichtet werden. Jede Stunden soll ein ICE von der Hauptstrecke abzweigen und für das "Prestige von Stadt und Region" (so der Chor aus Industrie- und Handelskammer und Magistratsparteien) in Darmstadt anhalten. An der Technischen Universität wurde ein Gutachten bestellt, das im Jahr ein Mehr von 480.000 Fahrgästen für den Hauptbahnhof ortete, also etwa 1300 am Tag. Grundlage der Berechnung war ein Hinterland von 1,1 Millionen Menschen!
Wichtiger wäre es, die Verbindung zur angeblichen "Jobmaschine" Flughafen zu überdenken. Die Buslinie "Air-Liner" ist überteuert (übrigens auch die Zeitkarten) mit der Begründung, dass es sich um einen 1.-Klasse-Bus handelt. Dabei braucht auch der "Air-Liner" fast eine halbe Stunde. Außerdem wäre es möglich (wie zwischen München und Nürnberg) auf der ICE-Strecke eine Sprinter-S-Bahn über den Flughafen etwa nach Wiesbaden verkehren zu lassen. Was im übrigen auch eine schnelle Verbindung für Politiker der Region zum "Hessen-Rapport" wäre. Weiterhin wäre es möglich, eine Verbindung von Darmstadt (oder sogar Pfungstadt) als neue S-Bahn-Linie zu betreiben. Mit einer Verlängerung über Höchst und Eschborn abwechselnd zum Nordwestzentrum und nach Bad Homburg würde dies alte Träume der Stadt Frankfurt und des RMV von der "Regionaltangente West" erfüllen. Dies würde auch vielen Pendlern aus Darmstadt und Umgebung zugute kommen, für welche die Gegend in Frankfurts Westen nur fürs Auto erschlossen schien. Aber: Ist es vorstellbar, dass Darmstädter Lokalpolitiker über Egelsbach hinaus denken?

Unsere Meinung

Die auf 200 Millionen Euro geschätzten Mehrkosten für den so genannten "Bypass" zum Darmstädter Hauptbahnhof sind zwar nicht städtisches Geld, aber dennoch hinausgeworfenes Geld. Zum einen wird Umwelt unwiederbringlich zerstört, zum anderen ganze Stadtteile mit Lärm überzogen. Wichtiger wären Begleitprojekte zur ICE-Strecke, die den Pendlern im Rhein-Main-Gebiet zugute kommen.