Pressemitteilung: "Anfrage zeigt, dass die soziale Schere immer weiter auseinander geht"

Zur Debatte über unsere Große Anfrage zur wachsenden Altersarmut und Ungleichheit in Darmstadt in der Stadtverordnetenversammlung am 11.11.2021

 

Die Antwort auf eine Große Anfrage der LINKEN-Stadtverordnetenfraktion (siehe unten) zeigt, dass die soziale Schere in Darmstadt immer weiter auseinander geht und vor allem ältere Menschen darunter leiden. Sie fordert deshalb, das Sozialticket günstiger anzubieten und die Quartiersarbeit in den betroffenen Stadtteilen zu verstärken. Die Stadt darf sich außerdem nicht selbst an Lohndumping beteiligen und die Abwärtsspirale bei der Bezahlung der Beschäftigten in ihren eigenen Betrieben weiter vorantreiben.

Die Teilhabecard wird nach Auskunft der Sozialdezernentin nur von 10% der berechtigten Rentner*innen beantragt. Insgesamt wird der ÖPNV von älteren Menschen nach Auskunft der Stadt nicht regelmäßig in Anspruch genommen. Grund sind nach Einschätzung der Linksfraktion vor allem die hohen Fahrpreise. Der Verweis der Stadt auf das günstige Seniorenticket Hessen geht ins Leere, da nur die wenigsten älteren Menschen täglich den ÖPNV benutzen und auf einen Schlag 365 € dafür zahlen wollen oder können. Es braucht deutlichere Ermäßigungen beim Sozialticket auch für unter anderem Einzelfahrten und Tageskarten am besten mit einem sozialen Nulltarif, so wie dies die neue Marburger Koalition  vereinbart hat.

Wichtig ist vor allem der Ausbau der Quartiersarbeit, damit in den Stadtteilen eine dezentrale und intensive Beratungs- und Öffentlichkeitsarbeit stattfinden kann: über die Möglichkeiten zur Beantragung der Grundsicherung, die Vergünstigungen durch eine Teilhabecard, Pflegeberatung und praktische Wegweiser. Es muss auch sichergestellt sein, dass für ein kostenfreies öffentliches Leben in allen Stadtteilen genügend geeignete Räumlichkeiten zur Verfügung stehen und auch
Mittagstische eingerichtet werden können.

Enttäuscht ist die LINKE von der Antwort der Stadt auf die Frage nach der Altersstruktur der Menschen, die die Angebote der Tafel in Anspruch nehmen. Die Bürgermeisterin Akdeniz erklärt, dass eine Antwort nicht möglich sei, da ihr keine Zahlen übermittelt werden. Dabei ist bekannt, dass die Zahl der älteren Menschen, die die Tafel in Anspruch nehmen, erheblich angestiegen ist (s. Darmstädter Echo vom 15.10.2019, „Mehr alte Menschen greifen bei der Tafel zu“).

Die  Möglichkeiten der Kommune für die Bekämpfung der Altersarmut sind beschränkt. Die Ursache für die Altersarmut liegt maßgeblich in den prekären und schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen während der Erwerbstätigkeit. Aber genau hier muss die Stadt Darmstadt mit gutem Beispiel vorangehen und darf nicht selbst Lohndumping betreiben und prekäre Arbeitsverhältnisse akzeptieren. So werden die 300 Beschäftigten der Servicegesellschaft des Klinikums Darmstadt nicht nach Tarif bezahlt und erhalten zurzeit lediglich einen Lohn von 11,12 € die Stunde. Sachgrundlose Befristungen sind dort weit verbreitet. Die Fahrerinnen und Fahrer des Heinerliners bekommen sogar nur 10 € pro Stunde, gerade einmal 40 Cent über dem aktuellen Mindestlohn. Der Heinerliner wird zwar von einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn betrieben, aber die Stadt Darmstadt hätte die Bezahlung nach Tarifvertrag zur Bedingung bei der Ausschreibung machen können.


Hintergrund:

Laut Antwort auf unsere Große Anfrage zum Thema „Altersarmut“ ist die Zahl der Rentner*innen in Darmstadt, die Grundsicherung im Alter beantragen, von 1.908 im Jahr 2015 auf 2.283 im Jahr 2020 angestiegen - eine Steigerung um 19,7% in 5 Jahren. Von 401 Städten und Landkreisen, die im Jahr 2019 in einer ZDF-Studie untersucht wurden, liegt Darmstadt weit hinten auf Platz 387. Dabei gibt es krasse Unterschiede zwischen den verschiedenen Bezirken Darmstadts: In der Kirchtannensiedlung beträgt der Anteil der Empfänger*innen von Grundsicherung 18 %, im angrenzenden Bezirk ‚Am Frankenstein‘ gerade einmal 0,7 %. Da viele arme Rentner*innen aus Scham oder auch Unkenntnis keinen Antrag stellen, dürfte durch diese Dunkelziffer die Zahl der Anspruchsberechtigten auf Grundsicherung noch wesentlich höher liegen.

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