Altersarmut, Bebauungs-Plan Bürgerpark, Haushaltsdebatte und Busnetz
Bericht von den Stadtverordnetenversammlungen im November und Dezember 2021
Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe Freundinnen und Freunde,
in diesem Rundschreiben wollen wir euch von den Sitzungen der Stadtverordnetenversammlung im November und Dezember berichten. Im November war der Höhepunkt aus unserer Sicht die Diskussion unserer Großen Anfrage zum Thema Altersarmut. Unter anderem haben wir hierbei die Niedriglöhne bei der Klinikums-Tochter SSG kritisiert. Als allgemeiner Aufreger wurde an diesem Tag der Offenlage-Beschluss für die Doppelhaus Siedlung im Bürgerpark ausgiebig diskutiert. Weitere Themen waren das Auslaufenlassen des Agenda21-Prozesses durch den Magistrat, der Beteiligungs- und der Nachhaltigkeitsbericht sowie unser Antrag zur Nutzung der Innenstadt-Parkhäuser für mobilitätseingeschränkte Menschen.
Im Dezember bildete der Haushalt das dominierende Thema. Auch hier machten wir die Lohnpolitik der Stadt zum Schwerpunkt unserer Kritik. Umstritten war bei dieser Sitzung außerdem das Buslinienkonzept der HEAG mobilo für das Woogsviertel und der Beschluss zum Bau der „Planstaße A“ zwischen Westwald und Lincoln-Siedlung. Erfreulicherweise verabschiedete die Stavo fast einstimmig zunächst ein verbessertes Sozialticket, für das wir seit 15 Jahren gekämpft hatten, und dann eine Informationsfreiheitssatzung, die auf unsere Initiative im vergangenen Herbst zurückgeht. Bei letzterer konnten wir die Versammlung von einer kleinen Verbesserung des Antragsverfahrens überzeugen.
Lest die beiden folgenden Berichte um Genaueres zu diesen Themen zu erfahren.
Mit solidarischen Grüßen
Karl-Heinz Böck, Martina Hübscher-Paul, Maria Stockhaus,
Uli Franke, Ann Christine Sparn-Wolf
Bericht von der Sitzung am 11.11.2021
1. Große Anfrage zur Altersarmut
Wir hatten unsere von der Sozialdezernentin Barbara Akdeniz bearbeitete Große Anfrage zum Thema Altersarmut auf die Tagesordnung setzen lassen, weil wir nicht zufrieden waren mit der Antwort. Karl-Heinz forderte in seinem Redebeitrag eine Stärkung der Gemeinwesenarbeit, die die Auswirkungen der Armut abmildern kann. Die Ursache von Armut liegt jedoch tiefer, nämlich bei zu niedrigen Löhnen, den abgesenkten Rentenansprüchen und – gerade bei Frauen – auch an unbezahlter Kindererziehungs- und Pflege-Arbeit. Diese Punkte sind im Wesentlichen nicht von der Kommunalpolitik zu beeinflussen. Doch auf einen Punkt machte Karl-Heinz nochmal aufmerksam: auch Unternehmen der Stadt zahlen nicht allen Beschäftigten auskömmliche Löhne. Das ist insbesondere bei der Klinikums-Tochter SSG der Fall, die er ausdrücklich ansprach. Vor der Sitzung hatten einige betroffene Kolleginnen und Kollegen eine Mahnwache vor dem Darmstadtium abgehalten. Mehr dazu ist in einem Artikel in Siehsmaso nachzulesen. Unsere Initiative fand eine außerordentlich gute Resonanz beim Darmstädter Echo.
2. Bebauungs-Plan Elfeicher Weg / Kastanienallee
Über die Pläne zur Bebauung des Bürgerparks mit gehobenen Doppelhaushälften haben wir bereits viel berichtet, unter anderem in unserer Fraktionszeitung. Auch diesmal sollte das Projekt noch nicht endgültig beschlossen werden, sondern nur die Offenlegung des Bebauungsplans für die Öffentlichkeit. Trotzdem nutzten einige Oppositionsfraktionen die Gelegenheit, um ihre Kritik an dem Projekt zu verdeutlichen. Es entbrannte eine heftige Diskussion, an der sich Maria für uns beteiligte.
Sie stellte fest, dass der Bürgerpark ein Naherholungsgebiet und damit Teil des öffentlichen Lebens ist. Er ist nicht für die kommerzielle Verwertung vorgesehen. Anstatt den umzäunten Bereich endlich auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen, soll dieser nun mit Luxusimmobilien bebaut werden. Auf diese Weise bekommen diejenigen, die sich die Mieten in Darmstadt bereits leisten können, nun auch noch einen Teil dessen, was der Allgemeinheit gehören sollte: ein Stück vom Bürgerpark und einen exklusiven Zugang zum dortigen See. Maria machte deutlich, dass es bei Wohnbebauung zum einen um Projekte gehen muss, die der Sozialquote unterliegen und zum anderen um die Nutzung von Verdichtungspotentialen anstelle von Neuerschließungen. Diese müssten dann aber auch einmal systematisch erhoben werden.
Desweiteren wies sie auf den unterschiedlichen Maßstab der Stadtregierung bei der Fällung von Bäumen hin: Wo sie es verhindern könnte, lässt sie Bäume fällen, wenn sie nichts zu sagen hat, dann protestiert sie gegen die Fällung. Denn bei dem Projekt im Bürgerpark werden von 45 Bäumen nur 12 erhalten bleiben, während der OB sich am Waldkunstpfad für Bäume einsetzte, die im Wald des Landes Hessen stehen.
Am Ende bekam die Vorlage eine knappe Mehrheit. Von den Oppositionsfraktionen unterstützte nur die FDP die Koalition, alle anderen stimmten wie wir gegen die weitere Bebauung des Bürgerparks. Das Darmstädter Echo berichtete ausführlich.
3. Beendigung der Lokalen Agenda21
Zum Ärger vieler Nachhaltigkeits-Initiativen hatte es sich der Magistrat in den Kopf gesetzt, dass der Prozess der Lokalen Agenda21 nun abgeschlossen sei und in städtische Strukturen überführt werden könne. Die bisher unterstützten Initiativen werden auf den Bürgerhaushalt verwiesen, der jedoch dafür nicht tauglich ist. Uli kritisierte das in seinem Redebeitrag „Agenda21-Mittel erhalten, Initiativen für eine nachhaltige Stadtentwicklung fördern!“. Außerdem stellten wir einen Änderungsantrag, der zum Ziel hatte, einen Fonds zur Förderung von Initiativen für eine nachhaltige Stadtentwicklung einzurichten. Dieser Antrag wurde von uns, der SPD, der UWIGA und den beiden fraktionslosen Stadtverordneten unterstützt.
4. Nutzung der Innenstadt-Parkhäuser für mobilitätseingeschränkte Menschen
Zu diesem Thema hatten wir einen eigenen Antrag gestellt. Er zielte darauf ab, dass in allen Parkhäusern mit barrierefreien Ausgängen Parkplätze für mobilitätseingeschränkte Personen kostenlos oder stark verbilligt zur Verfügung gestellt werden. DIE LINKE tritt dafür ein, dass im Rahmen der Verkehrswende ein Stadtumbau stattfindet, der oberirdische Parkflächen für andere Verkehrsmittel und zur die Verbesserung der Aufenthaltsqualität umwidmet. Unser Antrag zielte darauf ab, dass bei diesem Umbau der Zugang zur Innenstadt für Menschen mit Behinderung, die auf ihr eigenes Fahrzeug angewiesen sind, nicht erschwert wird. Uli vertrat unseren Antrag in der Debatte. Am Ende stimmte ihm ein Großteil der Opposition (bei Enthaltung der FDP und Gegenstimmen der AfD) zu. Trotzdem erhielt er keine Mehrheit, da die Koalition uns nicht folgen wollte – unter anderem mit dem merkwürdigen Argument, dass private Parkhausbetreiber nicht aus der Stadtkasse unterstützt werden sollen.
Bericht von der Sitzung am 14.12.2021
1. Haushaltsdebatte
Der Haushalt für 2022 kommt erfreulicherweise ohne Kürzungen aus, denn wegen des Überschusses im Haushaltsjahr 2020 durch die Corona-Hilfen des Landes ist noch Geld übrig, um die ca. 10 Mio Defizit auszugleichen, die der Kämmerer einplanen musste. Normalerweise verbietet die Schuldenbremse solche Defizite bei den laufenden Ausgaben. Der Kämmerer kündigte jedoch an, dass dies dauerhaft nicht funktionieren wird und Konsolidierungen bevorstehen. Deshalb forderte Uli in seiner Haushalts-Rede die Abschaffung der Schuldenbremse und eine stärkere Besteuerung hoher Einkommen und Vermögen.
Zu begrüßen ist, dass zusätzliche Stellen beispielsweise in der Kinderbetreuung oder im Mobiltätsamt geschaffen werden, und dass für Sanierungen von öffentlichen Gebäuden erhebliche Mittel eingeplant sind. Diesbezüglich mussten wir die FDP kritisieren, die 10 Millionen Euro pauschal beim Personal einsparen wollte - das entspricht 150 Stellen. Verrückt!
Heftige Kritik äußerte Uli daran, dass die Koalition trotz anderslautender Ankündigungen die finanzielle Aufwertung der Erzieherinnen und Erzieher auf die lange Bank geschoben hat, und dass es weiterhin über 100 städtische Beschäftigte gibt, die nach der Niedriglohn-Gruppe EG 1 bezahlt werden. In unseren Änderungsanträgen verlangten wir außerdem, dass die Zuwendungen an die freie Kulturszene entsprechend der Inflation seit 2018 um 10% angehoben werden. Die Stadt reduziert diese Zuschüsse seit Jahren schleichend, indem sie nicht an die Preissteigerungen angepasst werden.
Über die Debatte berichten das Darmstädter Echo und die Frankfurter Rundschau, leider ohne näher auf unsere Initiativen einzugehen.
2. Umgestaltung des Darmstädter Busnetzes
Der Magistrat legte ein neues Konzept für das Darmstädter Busnetz vor. Neben verschiedenen Verbesserungen in Takt und Fahrzeuggröße gab es auch eine erhebliche Verschlechterung: die direkte Verbindung des Woogsviertels zum Hauptbahnhof soll entfallen, und auch der Takt wird reduziert. Die Begründung hierfür ist der beginnende Betrieb der Lichtwiesenbahn ab Ostern 2022. Diese Verschlechterung hatten wir im Vorfeld in einer Pressemitteilung kritisiert, die auch im Darmstädter Echo Widerhall fand. In der Stavo forderten wir dann per Begleitantrag zum einen die Prüfung einer besseren Anbindung und zum anderen die Durchführung einer Bürgerbeteiligung, bevor über die neue Linienführung beschlossen wird.
Unsere Begleitanträge erhielten die Stimmen von uns, von der SPD und aus den kleinen Fraktionen. Am Ende enthielten wir uns bei der Vorlage, weil sie neben den Verschlechterungen für das Woogsviertel eben auch einige Verbesserungen enthält. Der Druck hat immerhin bewirkt, dass nun eine rasche Taktverdichtung geprüft und ein reibungsloses Umsteigen am Roßdörfer Platz sichergestellt werden soll (siehe Nachbericht im Echo)
3. Planstraße A
Die Stadt bleibt dabei, dass sie eine neue Anbindungsstraße für das Ludwigshöhviertel und die Lincoln-Siedlung bauen will, die vorerst „Planstraße A“ genannt wird. Sie wird zwischen Kleingärten entlang der Lincoln-Siedlung und dem Westwald hindurchführen, weiteren Boden versiegeln, Lärmbelastung schaffen und Geld kosten. Andererseits soll der Individualverkehr laut Masterplan in den nächsten Jahren um 30 Prozent reduziert werden – das geht für uns nicht zusammen. Einen kurzen Bericht von der Debatte lest ihr in der Frankfurter Rundschau und im Darmstädter Echo. In der Endabstimmung bekam die Koalition noch die Stimmen der FDP, alle anderen votierten in namentlicher Abstimmung gegen das Straßenbau-Projekt.
4. Sozialticket
Endlich hat Darmstadt ein Sozialticket, das diesen Namen verdient. Es bietet die Vergünstigungen, die wir schon seit 15 Jahren fordern: Der Preis der Monatskarten ist auf die Hälfte reduziert und die Einschränkung auf das 9-Uhr-Ticket fällt weg. Diese Vorlage des Magistrats war ein Fall von „LINKS wirkt“. Karl-Heinz hat die lange, aber zum Glück nicht unendliche Geschichte des Sozialtickets in seiner Rede nochmal ausgebreitet. Am Ende bekam die Vergünstigung für finanziell Schwache eine breite Mehrheit, nur FDP und AfD enthielten sich. Im Echo-Bericht wird nur das Ergebnis, aber nicht die Debatte in der Stavo wiedergegeben.
Der nächste Schritt muss die Ausdehnung auf Einzelfahrten und Tagestickets sein. Die Digitalisierung macht das theoretisch möglich, jetzt fehlt noch der politische Wille. Wir bleiben dran...
5. Informationsfreiheitssatzung
Ein weiterer kleiner Erfolg ist die Informationsfreiheitssatzung, über die unsere Stadt nun verfügt. Eine solche Satzung gibt Bürgerinnen und Bürgern einen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen der Stadt und ihrer nicht privatwirtschaftlich verfassten Wirtschaftseinheiten. Es war unsere Initiative, die wir gemeinsam mit der SPD zum Ende der vorigen Legislaturperiode eingebracht hatten. Nun hat der Magistrat den damaligen Antrag umgesetzt und eine Vorlage erstellt, die im Großen und Ganzen unseren Vorstellungen entspricht. Außerdem wird die Funktion eines oder einer Informationsfreiheitsbeauftragten geschaffen, die auch im Stellenplan hinterlegt ist.
Kritisiert hat Uli in seiner Rede, dass die privatwirtschaftlichen Unternehmen der Stadt nicht einbezogen sind. Dies kann jedoch von der Kommune nicht vorgeschrieben werden, so dass wir hierzu keine Änderung beantragen konnten. Ein zweites Problem ist, dass eine Auskunft theoretisch bis zu 500 Euro teuer werden kann, und dass zu Beginn des Verfahrens auch nicht klar ist, wie hoch die Kosten sein werden. Wir haben beantragt, dass die Gebühren auf 100 Euro gedeckelt werden und dass die Antragstellenden vorher über die voraussichtlichen Kosten informiert werden. Der erste Teil des Antrags wurde abgelehnt (bei breiter Zustimmung der Opposition außer FDP und AfD), aber immerhin für das zweite Anliegen konnten wir eine Mehrheit gewinnen. Die gesamte Satzung wurde dann einstimmig verabschiedet.